Berlin (Reuters) - Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, soll für China spioniert haben.

Die Bundesanwaltschaft teilte am Dienstag mit, der Beschuldigte Jian G. sei vortags in Dresden festgenommen worden. Er werde im Laufe des Tages dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt. Der Festgenommene sei Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes und arbeite seit 2019 für ein deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments. Den Namen des Europa-Abgeordneten nannte die Bundesanwaltschaft nicht. Auf einer Internetseite des Europa-Parlaments wird ein Jian G. als akkreditierter Mitarbeiter von Krah genannt.

Krah selbst äußerte sich überrascht über die Festnahme. Er habe davon am Vormittag aus der Presse erfahren, erklärte der 47-Jährige in einer Mitteilung. "Weitere Informationen liegen mir nicht vor." Der Vorwurf von Spionage für ein anderes Land sei "eine schwerwiegende Anschuldigung", erklärte Krah weiter und fügte hinzu: "Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen." Das EU-Parlament suspendierte den Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung. Krah ist Mitglied im Bundesvorstand der AfD und seit 2019 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er soll die rechtspopulistische Partei in die Europawahl in Deutschland am 09. Juni führen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem "Angriff von innen auf die europäische Demokratie", wenn sich der Verdacht bestätige. Bundesjustizminister Marco Buschmann erklärte, es träfe "das Herz unserer Demokratie", sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten. "Abgeordnete und ihre Mitarbeiter stehen in besonderer Weise im Dienst unserer Demokratie - hier stehen Vorwürfe im Raum, die dem diametral entgegenlaufen. Das können wir nicht dulden, hier müssen harte Konsequenzen folgen, wenn sich der Verdacht bestätigt."

AFD WILL WEITERE ERMITTLUNGEN ABWARTEN

Die AfD äußerte sich zunächst zurückhaltend. "Die Meldungen über die Verhaftung eines Mitarbeiters von Herrn Krah wegen Spionageverdachts sind sehr beunruhigend", sagte ein Sprecher der Bundespartei. "Da uns derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Fall vorliegen, müssen wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten."

Dem festgenommenen Mitarbeiter werde Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt, teilte die oberste deutsche Anklagebehörde mit. Der Beschuldigte habe im Januar 2024 wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europa-Parlament an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergegeben. Zudem habe er für diesen chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht. Der Hinweis auf den Beschuldigten kam nach Angaben der Anklagebehörde vom Bundesverfassungsschutz. Mit den polizeilichen Ermittlungen sei das Bundeskriminalamt beauftragt.

Nach Informationen des "Spiegel" ging es bei den weitergegebenen Informationen unter anderem um den Diskussionsprozess zu "sicherheits- und verteidigungspolitischen Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die kritische Infrastruktur in der Europäischen Union" sowie um einen Entschließungsantrag "zu der anhaltenden Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung in China". Vor gut einem Jahr hatte sich Krah in einem anderen Zusammenhang auf der Kurzmitteilungsplattform X hinter seinen in China geborenen Mitarbeiter gestellt und geschrieben, dieser sei deutscher Staatsbürger, AfD-Mitglied, habe in Dresden studiert und spreche fließend Deutsch und Englisch.

"NAIVITÄT DARF MAN SICH NICHT ERLAUBEN"

Die Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte Änderungen in der China-Politik der Bundesregierung an. Die deutsche Wirtschaft müsse ihre Abhängigkeit vom Reich der Mitte reduzieren, sagte Dröge in Berlin. "Das ist noch nicht in notwendigen Ausmaßen passiert und hier braucht es eine gemeinsame klarere Haltung auch in der Bundesregierung." Auch beim Schutz der kritischen Infrastruktur gebe es Handlungsbedarf. Die einzige Sprache, die China verstehe, sei Härte. "Naivität darf man sich mit Blick auf China wirklich nicht erlauben."

Bereits am Montag hatte die Festnahme von drei Deutschen Schlagzeilen gemacht, die für China spioniert haben sollen. Sie waren in Düsseldorf und Bad Homburg festgenommen worden und sollen unter anderem Informationen zu militärisch nutzbaren Technologien beschafft haben. Chinas Außenministerium wies die Vorwürfe zurück und sprach von einer "sogenannten Bedrohungstheorie durch chinesische Spionage". Diese sei in der europäischen öffentlichen Meinung nicht neu. Dahinter stehe die Absicht, China zu diskreditieren und "die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören".

(Mitarbeit: Andreas Rinke, Markus Wacket, Sabine Siebold; redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Holger Hansen und Alexander Ratz