Im Panikmodus, eine Marktanalyse von Wolf Brandes
Frankfurt (ots) - Erst die gute Nachricht: Die Bank of America (BoA) ist sicher,
dass die Märkte aufhören, in Panik zu geraten, wenn sich unter den politischen 
Entscheidungsträgern das Entsetzen breitmacht. Und mit dem März breche der Monat
der politischen Panik an. Die Fed werde die Zinsen senken, und China sowie 
Europa würden fiskalische Maßnahmen ergreifen, um die Folgen des Virus 
abzufangen.

Die Märkte können gute Nachrichten gebrauchen. Seit dem 19. Februar fiel der Dax
um 13,8 Prozent. So scharf wie die Reaktion ausfiel, so unterschiedlich sind die
Bewertungen der Analysten. Carsten Klude von M.M. Warburg spricht von einer 
"längst überfälligen Korrektur", die sich fortsetzen dürfte, bis der 
wirtschaftliche Schaden durch das Virus erkennbar ist. Klude hat die Aktienquote
etwas reduziert und wartet darauf, dass "sich der Nebel etwas gelichtet hat".

Dass die Seuche wirtschaftliche Folgen haben wird, dämmert selbst den größten

Optimisten. Ein erheblicher Teil des Konsums werde für immer verloren gehen, 
schreibt Neil Robson, Aktien-Chef bei Columbia Threadneedle: "Wir könnten zwar 
immer noch ein Smartphone ersetzen, aber es ist unwahrscheinlich, dass wir das 
neue Frühjahrssaison-Outfit kaufen werden", falls sich das Virus im Sommer 
verabschiedet haben sollte.

Wer als Fondsmanager überwiegend in Aktien investiert sein muss, überlegt sich 
Ausweichstrategien. Da das Coronavirus die Wachstumswerte in den Keller 
geschickt hat, sieht Sébastien Galy von Nordea Value-Aktien als sicheren Hafen. 
Sie sorgten "für Widerstandsfähigkeit". Und das Anlegermagazin "Fairvalue" will 
Nahrungsmittelaktien als solide ausgemacht haben, getreu dem Motto "gegessen 
wird immer" - oder dachten die Autoren an Hamsterkäufe?

Ungeachtet aller Panik gibt es noch echte Bullen. David Wehner, Portfoliomanager
bei der Do Investment, hat "erneut antizyklisch Positionen im 
EuroStoxx-50-Index-Future gekauft".

Noch überwiegen an der Börse jedoch die Verkäufe - und die Rufe nach der 
rettenden Geld- und Fiskalpolitik. Die Märkte preisen zwei Zinssenkungen der Fed
ein. Auch die Erwartung an die EZB, die Geldpolitik weiter zu lockern, wächst. 
Doch in Sachen Fiskalpolitik sehen manche Strategen schwarz. Mark Dowding von 
Bluebay stellt frustriert fest: "Finanzminister Olaf Scholz hat diese Woche für 
eine fiskalische Lockerung plädiert, aber die Dinosaurier um Kanzlerin Angela 
Merkel haben die Diskussion schnell wieder beendet."

Andere halten ohnehin nichts von der Geldspritze durch Staat oder Notenbank. 
"Eine Stimulierung der Nachfrage durch die Notenbanken ist beinahe nutzlos, wenn
die globalen Lieferketten unterbrochen sind", argumentiert Seema Shah von 
Principal Global Investors und liegt damit auf einer Linie mit 
Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der Maßnahmen der EZB als Antwort auf die 
Ausbreitung des Coronavirus derzeit nicht für erforderlich hält. "Das ist 
geldpolitisch eine sehr komplexe Frage, die aus meiner Sicht kein akutes 
geldpolitisches Handeln erfordert."

Eine Haltung, die Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sehr bedauern dürfte. 
Weil die Maßnahmen immer erst mit einer Verzögerung wirken würden, "könnte
der 
Nachfrageimpuls für die Wirtschaft um die Jahreswende 2020/21 sogar etwas 
stärker ausfallen, als dies ohne den Ausbruch des Virus der Fall gewesen wäre", 
sagt er.

Solange die Unruhe an den Märkten anhält, suchen die Investoren nach sicheren 
Anlagealternativen. "Die Nachfrage ist derart hoch, dass wir bei den Renditen 
zehnjähriger US-Staatsanleihen vor historischen Tiefständen stehen", 
kommentierte Lidia Treiber von Wisdomtree und wurde sogleich von der Realität 
eingeholt. Die DZ Bank geht davon aus, dass im Falle einer Lockerung der 
Geldpolitik die zehnjährigen Bund-Renditen weiter fallen. "Im Zuge einer 
Corona-Pandemie könnte sogar das bisherige Renditetief bei etwa -0,75 Prozent 
erneut in den Fokus rücken."

Ähnlich gefragt wie Anleihen war Gold als Krisenabsicherung. Der 
"Risk-off-Modus" hievte den Goldpreis nach oben. Allerdings gab es Rücksetzer. 
"Wir führen dies auf Zwangsverkäufe zurück, um anderweitige Verluste
aufzufangen
und um sogenannte Margin Calls zu erfüllen", vermuten die Analysten der 
Commerzbank.

Zur guten Nachricht vom Anfang fehlt noch die schlechte Nachricht der BoA, die 
daran erinnert, dass es an den Märkten nicht nur ein Coronavirus-Risiko gibt. 
Die größte Gefahr drohe vom Bondmarkt und von dem Platzen einer Blase. Verwiesen
wird auf die extremen Volumina in Anleihen-ETFs, die Viruswirkungen auf 
gehebelte Strukturen und die Ausweitung der Kreditversicherungen. BoA spricht 
von einem "Geist in der Maschine".

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