Frankfurt (Reuters) - Der erste größere Börsengang in Europa seit Monaten könnte dem Geschäft mit Neuemissionen in Deutschland wieder Schwung verleihen.

Der Webhosting- und Cloud-Anbieter Ionos gab am Dienstag seine Börsenpläne offiziell bekannt. Die Tochter von United Internet strebt im Laufe des ersten Quartals an die Frankfurter Börse.

Nach dem üblichen Zeitrahmen ist die Erstnotiz Mitte Februar zu erwarten. Daher wird das Unternehmen voraussichtlich in den kommenden Wochen die Preisspanne veröffentlichen, in der die Aktien angeboten werden. Ein Insider hatte die Gesamt-Bewertung von Ionos unlängst auf bis zu fünf Milliarden Euro taxiert. Da keine Kapitalerhöhung geplant ist und United Internet den Angaben zufolge Mehrheitsaktionär bleiben will, ergibt sich daraus ein Emissionsvolumen von bis zu 2,5 Milliarden Euro. Durch die Notiz im Regulierten Markt (Prime Standard) wäre Ionos ein Kandidat für den Einzug in den Nebenwerte-Index MDax.

Der Verzicht auf eine Kapitalerhöhung sei nicht unbedingt eine Bürde für den Börsenkandidaten, sagte Analyst Frederik Altmann vom Brokerhaus Alpha. Denn andernfalls könnte der Streubesitz etwas gering ausfallen. Derzeit hält United Internet 75,1 Prozent der Anteile. Der Rest liegt beim Finanzinvestor Warburg Pincus.

CHANCE BEIM SCHOPF GEPACKT

Ionos liebäugelt schon lange mit dem Sprung auf das Börsenparkett. Im vergangenen Jahr hatten zahlreiche Firmen wegen der Kursturbulenzen an den Märkten ihre Pläne jedoch auf die lange Bank geschoben. Das Emissionsvolumen in Deutschland ging 2022 fast allein auf das Konto des Sportwagenbauers Porsche. Mit rund 9,4 Milliarden Euro legte die Volkswagen-Tochter den zweitgrößten Börsengang weltweit hin.

Derzeit spielt potenziellen Börsenkandidaten die gute Stimmung an den Aktienmärkten in die Hände. Seit dem Jahreswechsel gewann der Dax knapp neun Prozent und machte damit einen großen Teil seiner Verluste von 2022 wieder wett. Die Titel der Ionos-Mutter United Internet legten am Dienstag zeitweise 3,6 Prozent zu, nachdem sie im vergangenen Jahr um fast 46 Prozent eingebrochen waren.

In Europa steht unter anderem Klarna in den Startlöchern für ein Börsendebüt. Bei einer Finanzierungsrunde im Mai 2022 war der schwedische Spezialist für Ratenzahlungen mit umgerechnet etwa 30 Milliarden Euro bewertet worden.

INTERNET-AUFTRITTE UND WEBSHOPS

Ionos ist nach eigenen Angaben Marktführer beim Webhosting in Europa für kleinere und mittlere Unternehmen. Cloud-Lösungen machten bislang etwa zehn Prozent des Geschäfts aus. Das Geschäftsmodell von Ionos sei relativ immun gegen wirtschaftliche Schwankungen, da etwa 90 Prozent der Einnahmen aus Abonnements stammten.

Das Unternehmen stellt für 2022 ein Wachstum von 15 bis 18 Prozent in Aussicht, nach einem Umsatzplus von 19 Prozent in den ersten neun Monaten. Im vorangegangen Jahr lagen die Erlöse bei 1,1 Milliarden Euro. Mittelfristig traut sich Ionos jährliche Umsatz-Zuwächse von durchschnittlich zehn Prozent und eine bereinigte operative Gewinnmarge von mehr als 30 Prozent zu. Die überzeugenden Zahlen sollten Investoren neugierig machen, sagte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets.

Beim Thema Zukäufen verfolge Ionos eine opportunistische Strategie, sagte Finanzchefin Britta Schmidt in einer Telefonkonferenz. "Derzeit gibt es aber keine konkreten Pläne." Zu den wichtigsten Ionos-Rivalen zählen GoDaddy und OVHCloud.

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- von Hakan Ersen