Der geldpolitische Rat der Europäischen Zentralbank hat bei seiner ersten geldpolitischen Entscheidung das bereits allseits erwartete Ankaufprogramm von Anleihen beschlossen. Mit der angestrebten Gesamtsumme von 60 Mrd. EUR an Wertpapieren, die ab März über mindestens 1 ½ Jahre hinweg großteils durch die nationalen Notenbanken gekauft werden sollen, wurden die Erwartungen der meisten Beobachter (mehr als) erfüllt. Neben den bereits laufenden Käufen von ABS und Covered Bonds werden nun - dem Kapitalschlüssel der EZB entsprechend - auch Euro-Staatsanleihen und Anleihen öffentlicher Europäischer Institutionen mit Laufzeiten zwischen zwei und 30 Jahren am Sekundärmarkt gekauft. Das durch die EZB übernommene Risiko, dessen Verhältnismäßigkeit ja auch der Generalanwalt des EuGH anlässlich der Beschwerde über ein früheres Programm in der vergangen Woche eingemahnt hatte, soll u.a. dadurch begrenzt werden, dass nur bei 20% der gekauften Anleihen die Risiken innerhalb des Eurosystems geteilt werden, und nur Anleihen gekauft werden, die die EZB auch als Besicherung (Collateral) bei ihren Refinanzierungsgeschäften akzeptiert. Mit den Käufen sollen die Geldmenge, das Kreditangebot und die Inflationserwartungen gesteigert werden, um die Eurozone, deren Inflationsrate Ende 2014 unter null gesunken ist, wieder in Richtung des Inflationsziels von knapp 2% zu bewegen. Der  Hauptrefinanzierungssatz sowie die Zinssätze für die Einlage- und Spitzenrefinanzierungsfazilität wurden erwartungsgemäß nicht geändert. Jedoch wurde die Verzinsung der anstehenden Langfristrefinanzierungen für Banken um 10 Basispunkte auf den Hauptrefinanzierungssatz von aktuell 0,05% gesenkt.

Die Aktienmärkte haben auf das Programm der Europäischen Zentralbank mit Kursgewinnen reagiert. Der DAX nahm nach Bekanntwerden der Details um gut 50 Punkte zu und erreichte einen neuen historischen Höchststand. Auch die Anleihemärkte der Eurozonenperipherie profitierten, die zehnjährigen spanischen und italienischen Staatsanleihen erreichten neue Renditetiefs. Ausnahmsweise keine neuen historischen Renditetiefs gab es hingegen in Deutschland und in Österreich. Die Renditen am deutschen Anleihemarkt waren im Vorfeld der Entscheidung kontinuierlich gestiegen, sind nach dem Bekanntwerden der Details dann aber wieder kräftig gefallen. Im Wochenvergleich blieb die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundeanleihe fast unverändert. Der Euro reagierte gegenüber dem US-Dollar mit einer Abschwächung.

Die Nachwirkungen der Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank, den seit über drei Jahren gegenüber dem Euro fixierten Wechselkurs des Schweizer Franken freizugeben, und die Erwartungen rund um die Entscheidung der EZB haben an den Märkten die Stimmung dominiert und die veröffentlichten Daten in den Hintergrund treten lassen. Darunter beispielsweise der öffentliche Schuldenstand in der Eurozone, der Ende des dritten Quartals 2014 bei 92,1% des Bruttoinlandsprodukts lag sich gegenüber dem Vorquartal um 0,6 Prozentpunkte verringerte. Gegenüber dem dritten Quartal 2013 betrug der Rückgang 3,4 Prozentpunkte. Das saisonbereinigte Budgetdefizit der Eurozone im dritten Quartal 2014 betrug 2,3%. Im Vorquartal hatte es noch 2,5% betragen. Die Stimmung der US-Verbraucher ist so gut wie schon sehr lange nicht mehr. Der entsprechende Index von Thomson Reuters und der Universität Michigan stieg im Jänner nach einer ersten Schätzung auf 98,2 Punkte (Dezember: 93,6 Punkte). Analysten hatten im Mittel einen Anstieg auf 94,1 Punkte erwartet. Damit hat der Index ein Elfjahreshoch erreicht. Die gute Verfassung des Arbeitsmarktes und die fallenden Treibstoffpreise waren hierfür hauptverantwortlich.

Nach den beiden Zentralbankentscheidungen sollten die Berichtssaison und die Wirtschaftsdaten nun wieder stärker auf die Märkte wirken können. Allerdings steht in den kommenden Tagen mit der griechischen Parlamentswahl ein neuer Unsicherheitsfaktor an und nach den großen Bewegungen am Tag der EZB-Sitzung noch kaum mit einer eindeutigen Marktrichtung zu rechnen.

Autor: Wolfgang Pohn

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