FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Anleger meiden nach wie vor das Risiko und setzen vor dem Hintergrund fallender Zinsen auf Anleihen von Staaten mit bester Bonität. Besonders gefragt sind Bundesanleihen und US-Treasuries.

29. März 2019. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Suche nach sicheren Häfen prägt auch in dieser Woche den Anleihemarkt. Nach dem Renditerutsch zehnjähriger Bundesanleihen in den Minusbereich stockte Deutschland in dieser Woche erstmals seit 2016 einen bestehenden Bond gleicher Laufzeit zu einer durchschnittlichen Rendite von minus 0,05 Prozent auf, wie Arthur Brunner anmerkt. "Der Markt ist auf Krisenmodus eingestellt, obwohl wir keine Krise haben", fasst der Händler die Marktstimmung zusammen.

Weder der schwelende Zollstreit noch das Brexit-Chaos seien diesmal ausschlaggebend. Nach immer mehr negativen Wachstumsprognosen vonseiten führender Notenbanken verunsichere unter anderem ein schwacher Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland.

Lichtblicke im Handelskonflikt

Zwischen den USA und China gibt es Medienberichten zufolge gar Fortschritte hinsichtlich des Streitpunkts Technologietransfer. Demnach stellt Peking Finanzkonzernen einen breiteren Marktzugang in Aussicht. Dazu werde die Negativliste für ausländische Investoren samt Regeln für Käufe börsennotierter chinesischer Unternehmen überarbeitet. Aktuell verhandelten Finanzminister Steven Mnuchin und Handelsminister Robert Lighthizer mit chinesischen Vertretern unter anderem über Garantien und Kontrollmechanismen etwaiger Abmachungen.

Gestaffelte Strafzinsen

Die Zinserwartungen zeigen gegenwärtig jedenfalls gen Süden. In dieser Gemengelage erwägt die Europäische Zentralbank eine Entlastung für Banken, wie Gregor Daniel feststellt. Im Gespräch sei eine Staffelung der seit 2014 für Einlagen fälligen Strafzinsen. Für den Händler der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank folgen die Währungshüter damit einmal mehr dem eher erfolglosen geldpolitischen Beispiel Japans. "Die USA sind besser aus der Krise herausgekommen", erinnert Daniel und hofft mit dem Ende Oktober anstehenden Wechsel an der EZB-Spitze auf einen Sinneswandel.

Zinskurve wird flacher

Dennoch ist auch in den USA nicht alles Gold, was glänzt. Anleger sorgten sich angesichts einer flacher werdenden Zinskurve um die US-Wirtschaft. Die aktuelle Rendite von 2,45 Prozent für zehnjährige US-Treasuries nähere sich der Erträge für kürzere Laufzeiten. Dreijährige US-Staatsanleihen brächten im Vergleich 2,19 Prozent, fünfjährige Papiere kämen auf 2,21 Prozent. Die Zinskurve bezeichnet das Verhältnis zwischen Lang- und Kurzfristzinsen. Ist der Abstand gering, spricht man von einer flachen Zinskurve. Werfen Kurzläufer mehr ab als Langläufer, erhält man eine inverse Zinskurve. Anleger ließen sich davon allerdings kaum beirren und griffen laut Brunner in dieser Woche zu US-Treasuries sämtlicher Laufzeiten.

Autobauer zapfen Kapitalmarkt an

Unternehmen - insbesondere Automobilkonzerne - nutzten nach Ansicht von Brunner verstärkt die Gunst der Stunde und emittierten in dieser Woche erfolgreich neue Bonds. Mittels drei Anleihen sammelte etwa Volkswagen insgesamt 2,6 Milliarden Euro in Stücken von 1.000 Euro von Investoren ein. Für ein dreijähriges Papier (WKN A2LQ6E) im Volumen von 1,1 Milliarden Euro zahlen die Wolfsburgen jährlich 0,625 Prozent Zinsen. Einen Kupon in Höhe von 1,50 Prozent erhalten Käufer eines Bonds (WKN A2LQ6F) mit einer Laufzeit bis Oktober 2024. 650 Millionen Euro spülte ein in 2027 fälliges Papier (WKN A2LQ6G) mit einem jährlichen Zins von 2,25 Prozent in die Kassen von VW.

Über die RCI Bank emittierte Renault eine 650 Millionen Euro schwere, bis April 2024 laufende Anleihe (WKN A2RZ8L) und zahlt Anlegern 1,75 Prozent Zinsen im Jahr, wie Brunner informiert. 750 Millionen Euro sammelten die Franzosen über einen vierjährigen Bond (WKN A2RZ8K) mit einem Kupon von 0,750 Prozent ein. Beide werden in einer für Privatanleger attraktiven Stücklung von 1.000 Euro gehandelt.

Gefragte Schaeffler-Anleihen

Im Handel mit älteren Corporate Bonds spricht Rainer Petz von großem Interesse an den seit dieser Woche handelbaren Schaeffler-Anleihen. Für den dreijährigen Titel (WKN A2YB69) mit einem Kupon von 1,125 Prozent zahlen Käufer aktuell 100,99 Prozent. Bei Preisen von 101,60 und 102,80 Prozent stünden auch das fünfjährige Papier (WKN A2YB7A) mit 1,875 Prozent und der in 2027 fällige Bond (WKN A2YB7B) mit einem Kupon von 2,875 Prozent bei Anlegern hoch im Kurs.

Womöglich Zinspause für Südzucker-Anleihe

Deutliche Einbußen mussten nach Beobachtung von Petz Besitzer einer Hybridanleihe von Südzucker (WKN A0E6FU) hinnehmen. Der Kurs des mit jährlich 2,771 Prozent verzinsten Bonds des größten europäischen Zuckerproduzenten verlor seit Montag von gut 76 auf etwas unter 70 Prozent. Den Grund sieht Petz in der drohenden Aussetzung der Zahlungen für die kommenden vier Quartale. Nach den Bedingungen der Anleihe ist das Unternehmen dazu verpflichtet, wenn der Cash-flow des Konzerns die Schwelle von 5 Prozent des konsolidierten Umsatzes unterschreitet. Die heute vorgelegten Ergebnisse verhießen nichts Gutes. Die Sanierung und Restrukturierung koste viel Geld und sorge für hohe Wertberichtigungen des Geschäftssegments Zucker.

Otto, Bayer und Thyssen-Krupp gefragt

Viel Bewegung gebe es in einer ThyssenKrupp-Anleihe (WKN A2TEDB) mit einem Kupon von 2,875 Prozent, wie Daniel meldet. Nach der Korrektur griffen Anleger seit Mitte der Woche wieder zu.

Auch an einer bis August 2026 laufenden Otto-Anleihe (WKN A2GS2K) mit einem Kupon von 1,84 Prozent fänden Investoren zumeist gefallen. "Hier standen Käufe im Vordergrund."

Im Zuge des US-Urteils gegen Bayer im Glyphosat-Prozess trennten sich Anleger laut Daniel mehrheitlich von einer bis 2075 laufenden Bayer-Anleihe (WKN A11QR6) mit einem Kupon von 3 Prozent. Mittlerweile erhole sich der Kurs des Papiers wieder.

Raus aus Wow Air-Anleihe

Mit den finanziellen Nöten der isländischen Billig-Airline und der gestrigen Einstellung des Flugbetriebs trennten sich Investoren Brunner zufolge von einer 60 Millionen schweren Wow-Anleihe (WKN A2RR7C) mit einem Kupon von 9 Prozent.

von: Iris Merker

29. März 2019, © Deutsche Börse AG

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