London/Berlin/Dublin (Reuters) - Bei der Bekämpfung der Inflation hat die EZB laut Bundesbankchef Joachim Nagel noch ein hartes Stück Arbeit vor sich.

Angesichts des Konjunkturabschwungs könne die "letzte Meile" vor Erreichen des Inflationsziels von zwei Prozent durchaus die schwierigste sein, warnte das deutsche Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch in London. Mit der geldpolitischen Straffung gehe eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen einher. Diese bremsten die Wirtschaft: "Das ist der Punkt, an dem wir uns gerade befinden", betonte Nagel. Mit der Zeit werde die schwächere Konjunktur auch die Inflation weiter bremsen: "Die Geldpolitik hat bereits begonnen, die Inflation zu dämpfen. Und das wird auch 2024 und 2025 so bleiben."

Mit dem zuletzt raschen Rückgang der Inflationsrate, die im Oktober im Euroraum auf 2,9 Prozent fiel, dürfte es aus Sicht von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane aber vorerst vorbei sein. Die Inflationsraten würden sich voraussichtlich im Jahr 2024 im "hohen Zweier- oder niedrigen Dreier-Bereich" bewegen, sagte der Ire auf einer Konferenz in Riga. Erst 2025 werde die Teuerungsrate wohl auf das Ziel von zwei Prozent absinken. Dieses Niveau gilt der EZB als ideal für die Konjunkturentwicklung.

"Die Inflation ist ein gieriges Biest, ein sehr gieriges Biest", sagte Nagel. "Wenn wir mit einem Biest umgehen müssen, das so stur ist, müssen wir noch sturer sein", fügte er hinzu. Spekulationen hinsichtlich des Zeitpunkts für erste Zinssenkungen erteilte er eine Absage. "Diese Diskussion ist nicht hilfreich", sagte er. Das sei viel zu früh.

Aus Sicht von Irlands Notenbank-Chef Gabriel Makhlouf kann die EZB derzeit angesichts bestehender sehr großer Unsicherheiten noch keine Option ausschließen. "Wir sollten alle Optionen offen halten und nicht voreilig Entscheidungen treffen", sagte der Ratskollege von Lane und Nagel am Mittwoch am Rande einer Veranstaltung in Dublin zu Journalisten. "Zwischen heute und sicherlich unserem Treffen im Dezember werden wir neue Prognosen sowie eine Reihe von Datenpunkten vorliegen haben", merkte er an. Das sei ein ziemlich wichtiger Moment.

Die EZB hat auf ihrer jüngsten Sitzung angesichts der Konjunkturflaute und nachlassender Inflation beschlossen, ihre Zinserhöhungsserie zu stoppen. Sie hatte im Kampf gegen die starke Teuerung seit Sommer 2022 die geldpolitischen Schlüsselsätze zehn Mal in Folge angehoben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde wies nach dem Zinsbeschluss zugleich die Idee schneller Zinssenkungen zurück. Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras hält angesichts der immer stärker fallenden Inflation erste Zinssenkungen der EZB bereits ab Mitte des kommenden Jahres allerdings für möglich. Die nächste EZB-Zinssitzung ist am 14. Dezember.

(Bericht von Reinhard Becker, Padraic Halpin, Marc Jones, Frank Siebelt; Redigiert von .; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)