Zürich (awp) - Chinesische Investoren drängen weiter mit Macht auf den europäischen Markt. Im vergangenen Jahr haben sie in der Schweiz sowie in ganz Europa jeweils so viele Akquisitionen getätigt wie nie zuvor, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Auswertung des Beratungsunternehmens EY zeigt.

In Europa kauften oder beteiligten sich chinesische Investoren an 309 Unternehmen, in der Schweiz gab es elf Zukäufe beziehungsweise Beteiligungen. Damit sei die Zahl der Akquisitionen in Europa im Vergleich zum Vorjahr um knapp die Hälfte gestiegen, in der Schweiz habe sich die Zahl mehr als verdoppelt, heisst es.

Auch das Transaktionsvolumen ist sprunghaft gestiegen: In Europa tätigten chinesische Unternehmen im vergangenen Jahr Zukäufe im Wert von 85,8 Mrd USD nach einem Volumen von 30,1 Mrd USD im Jahr 2015. In der Schweiz entfallen allein 44 Mrd USD auf die noch nicht abgeschlossene Syngenta-Transaktion, wodurch das Transaktionsvolumen auf 45,8 Mrd USD im Gesamtjahr stieg. Im Jahr zuvor waren es noch 4,0 Mrd USD gewesen.

SCHWEIZ AUF RANG SECHS DER BELIEBTESTEN INVESTITIONSZIELE

Mit 68 getätigten Akquisitionen bleibt Deutschland in Europa das bevorzugte Investitionsziel chinesischer Unternehmen. Auf dem zweiten Platz steht Grossbritannien mit 47 Akquisitionen, gefolgt von Frankreich, Italien und den Niederlanden. Dahinter auf Rang sechs folgt bereits die Schweiz, drei Plätze weiter vorne als im Vorjahr.

Aufgrund der Syngenta/ChemChina-Transaktion liege die Schweiz bei der Transaktionssumme allerdings klar vorn. Deutschland folgt mit 12,6 Mrd USD auf dem zweiten Rang, Grossbritannien mit 9,6 Mrd auf dem dritten.

ÜBERNAHMEN WERDEN SCHWIERIGER

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres zeigte sich jedoch ein Rückgang der Transaktionsaktivität in Europa und auch in der Schweiz. So nahm die Zahl der Deals in Europa im zweiten Halbjahr um knapp ein Viertel auf 133 Transaktionen ab. In der Schweiz wurden im zweiten Halbjahr lediglich vier Transaktionen getätigt. "Das Umfeld für chinesische Übernahmen ist etwas schwieriger geworden", stellt Fabian Denneborg, M&A-Fachmann bei EY Schweiz fest.

Darauf müssten sich potenzielle chinesische Käufer einrichten: "Es wird immer wichtiger, die unternehmerischen Ziele einer Transaktion zu erklären, transparent zu kommunizieren und der Sorge vor Abwanderung der Arbeitsplätze und von Know-how mit guten Argumenten zu begegnen."

Zudem seien fast die Hälfte der Transaktionen in der Schweiz im vergangenen Jahr strategischer Natur mit Beteiligungen zwischen 10 und 50% gewesen. Solche Investitionen würden aus als weniger bedrohlich eingeschätzt.

Weiter stehe die chinesische Regierung grossen Übernahmen im Ausland - etwa im Immobiliensektor oder in der Unterhaltungsindustrie - inzwischen kritischer gegenüber. "Seit Ende November 2016 kontrolliert die chinesische Regierung die Devisenausfuhr strenger. Sie schaut genau hin, ob grenzüberschreitende Akquisitionen den chinesischen Renminbi schwächen. Peking möchte einen zu grossen Kapitalabfluss und eine Abwertung der Währung verhindern", so Denneborg. Das habe dazu geführt, dass viele chinesische Unternehmen, besonders die privaten, auf Beobachtungsmodus schalten.

SCHWEIZ BIETET NACH WIE VOR ATTRAKTIVE ÜBERNAHMEZIELE

Dennoch rechnet EY hierzulande mit einer weiterhin regen Transaktionstätigkeit. "Die Schweiz bietet nach wie vor einige attraktive Übernahmeziele für chinesische Unternehmen", so Ronald Sauser, Leiter M&A bei EY Schweiz. "Im Fokus sind auch grosse Unternehmen, die derzeit im Besitz von Finanzinvestoren sind, oder Teilbereiche von Grosskonzernen."

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