Berlin/Brandenburg (Reuters) - Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) wird Bundesverteidigungsminister.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begründete die Entscheidung am Dienstag nicht nur mit der großen administrativen Erfahrung des Niedersachsen. "Er hat die Ruhe und die Kraft, die man für so eine große Aufgabe braucht", sagte der SPD-Politiker in Brandenburg bei einem gemeinsamen Auftritt mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). "Ich bin überzeugt, er ist jemand, der mit der Truppe kann", betonte Scholz.

Der 62-Jährige Niedersachse Pistorius wird Nachfolger von Christine Lambrecht, die am Montag ihren Rücktritt erklärt hatte. Pistorius soll am Donnerstag seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten und im Bundestag seinen Amtseid leisten.

Pistorius ist Mitglied des SPD-Parteivorstandes und wurde bereits mehrfach für auf Bundesebene gehandelt. Er hatte sich 2019 - wie Scholz selbst - im Rennen um den SPD-Parteivorsitz nicht durchsetzen können. Der bisherige niedersächsische Innenminister hatte Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet und gilt als beliebt sowie als kommunikations- und durchsetzungsstark. Vor seiner Zeit als Innenminister war Pistorius auch fast sieben Jahre lang Oberbürgermeister von Osnabrück gewesen. "Er wird der Truppe die richtige Wertschätzung geben, die sie in dieser herausfordernden Zeit braucht", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil.

AMPEL-PARTNER BEGRÜSSEN ENTSCHEIDUNG - "LETZTE PATRONE"

Die Entscheidung traf in der Ampel-Koalition überwiegend auf Zustimmung. "Gratulation an meinen neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius. Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns", twitterte Finanzminister Christian Lindner schon vor der offiziellen Bestätigung. "Ich bin überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt ist", schrieb FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Pistorius habe langjährige Erfahrung mit der Struktur der Sicherheitsbehörden. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sagte der "Rheinischen Post": "Es ist allerdings auch die letzte Patrone von Olaf Scholz. Dann geht ihm die Munition aus."

Auch Grünen-Chef Omid Nouripour begrüßte die Entscheidung. "Es ist gut, dass eine schnelle Nachfolge im Verteidigungsministerium gefunden wurde, denn wir stehen vor vielen große Herausforderungen, angefangen bei der Frage wie wir die Ukraine weiter unterstützen können, aber auch wie wir unsere Bundeswehr bestmöglich aufstellen können", sagte er. Kritik kam dagegen von der AfD: Die Ernennung sei "nicht der erhoffte und notwendige Befreiungsschlag für die Bundeswehr", sondern wirke wie ein "Akt der Verzweiflung" von Scholz.

Der Kanzler stand bei der Entscheidung unter erheblichen Zeitdruck. Denn am Freitag treffen sich die Verteidigungsminister der westlichen Alliierten, um über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu beraten. Dabei soll es auch um die Frage geben, ob Deutschland Leopard-2-Kampfpanzer liefert oder zumindest anderen Staaten die Erlaubnis erteilt, der Ukraine Leopards zu übergeben.

KEINE PARITÄT MEHR IM KABINETT

Mit der Entscheidung für Pistorius gibt Scholz zumindest vorerst seine bisherige Linie auf, dass Männer und Frauen in gleicher Zahl im Kabinett vertreten sein sollen. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen hatte die paritätische Besetzung ebenso wie die Grünen nach dem Rückzug von Lambrecht gefordert. Der Koalitionspartner FDP hatte dagegen betont, es solle nicht nach Geschlecht entschieden werden. "Der Wind weht und schon ist es wieder vorbei mit der Parität bei der SPD. Sehr bedauerlich. Hätte es bei Angela Merkel nicht gegeben", twitterte die CDU-Abgeordnete und Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas. SPD-Chef Klingbeil betonte dagegen, die Parität bleibe wichtig.

Im Gespräch ist allerdings, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Anfang Februar ihre Spitzenkandidatur für die Landtagswahl in Hessen erklären könnte. Sollte sie als Ministerpräsidentin nach Hessen wechseln, müsste ein weiterer Kabinettsposten neu besetzt werden. In den vergangenen Tagen war deshalb auch über einen Ringtausch spekuliert worden.

Mit der Ernennung von Pistorius erhält auch die SPD Niedersachsen in Berlin zusätzliches Gewicht. So kommen beispielsweise auch Arbeitsminister Hubertus Heil sowie Partei-Co-Chef Klingbeil aus dem mitgliederstarken Landesverband.

(Mitarbeit: Alexander Ratz, Christina Amann; Redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Andreas Rinke und Holger Hansen