Von Nathaniel Taplin

NEW YORK (Dow Jones)--Zum Jahresbeginn 2023 entspannen sich die Probleme in den Lieferketten. Diese hatten einen Großteil der Jahre 2021 und 2022 die Welt in Atem gehalten. Doch das neue Jahr bringt neue Herausforderungen mit sich: die Zunahme des "grünen Protektionismus" und die verstärkten Bemühungen multinationaler Unternehmen, sich von China weg zu diversifizieren. Diese beiden miteinander verknüpften Trends versprechen beide langfristig erhebliche Vorteile - vor allem einen lebenswerteren Planeten und eine widerstandsfähigere globale Lieferkette. Sie werden aber zugleich wohl erhebliche Kosten für Unternehmen und Verbraucher mit sich bringen.


   China größter offensichtlicher Verlierer 

Der größte offensichtliche Verlierer beider Trends ist China. Das Reich der Mitte steht noch im Zentrum der globalen Lieferketten, was ihm erheblichen geopolitischen Einfluss verleiht, und ist außerdem der weltweit größte Energieverbraucher. Das von der EU geplante CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) zur Vermeidung der Verlagerung von Kohlendioxidemissionen - im Wesentlichen eine Abgabe auf energieintensive Importe wie Stahl aus Ländern mit niedrigeren Kohlendioxidsteuern als in der EU - bedroht auch US-Exporte nach Europa. China wird jedoch so wie die Steuer strukturiert ist, mit am stärksten betroffen sein. Die derzeit diskutierte Version des CBAM würde einige "indirekte Emissionen" besteuern. Dazu gehören wahrscheinlich die Kohlenstoffemissionen aus der Stromerzeugung für den Betrieb von Fabriken und nicht nur die direkten Emissionen aus den Stahlhochöfen.

Ein Teil bestimmter energieintensiver chinesischer Industrien - beispielsweise Aluminium und Polysilizium - wird mit sauberer Wasserenergie betrieben. Aber insgesamt ist das chinesische Stromnetz immer noch weitaus stärker von Kohle abhängig als das der meisten großen Volkswirtschaften, einschließlich der USA. Chinas eigene Kohlenstoffpreise, die derzeit nur für den Energiesektor gelten, können zwar von Europas Steuerplan abgezogen werden, sie sind aber nur etwa ein Zehntel so hoch. Ende November betrugen sie 58 Yuan, umgerechnet knapp 8 Euro, pro Tonne. Im Gegensatz dazu sind es etwa 80 Euro pro Tonne in der EU.

Chinas Vormachtstellung bei Elektrofahrzeugen und Batterien steht auch klar im Fadenkreuz des US Inflation Reduction Act (IRA) - im Grunde ein massives Gesetz zur grünen Industriepolitik. Das Gesetz schreibt vor, dass Elektrofahrzeuge in den USA zusammengebaut werden müssen, um Subventionen zu erhalten, und ihre Batterien einen bestimmten Prozentsatz an Material aus den USA oder ihren Freihandelspartnern enthalten müssen. Verbündete der USA in Europa und Asien, wie etwa Südkorea, sind zwar verärgert. Aber das eigentliche, unausgesprochene Ziel des Gesetzes scheint es zu sein, Chinas Vormachtstellung bei der Verarbeitung von Batteriematerialien zu brechen und billige chinesische Elektrofahrzeuge und Batterien abzuwehren.


   Europas Autobranche könnte es hart treffen 

Diese Bemühungen der USA und Europas richten sich gegen zwei große Bedrohungen, die sich in den vergangenen Jahren im öffentlichen Bewusstsein herauskristallisiert haben: höhere globale Temperaturen sowie die übermäßige Konzentration wichtiger Lieferketten in einem aufstrebenden geopolitischen Rivalen. Aber die Initiativen sind nicht gratis zu haben, selbst wenn man die direkten Kosten der Subventionen für die Steuerzahler außer Acht lässt.

Vielleicht gelingt es Europa, einige seiner angeschlagenen, energieintensiven vorgelagerten Industrien wie die Metallverhüttung am Leben zu erhalten. Aber wichtige europäische nachgelagerte Sektoren wie die Automobilindustrie dürften die Kosten in Form von teureren Grundmaterialien tragen. Alternativ dazu könnten einige Autozulieferer, die derzeit in der EU ansässig sind, in andere Länder abwandern, um sich weiterhin Zugang zu billigen Grundstoffen wie Metallen zu sichern. Und wenn die US-Subventionen für Elektroautos nicht angepasst werden, könnten die europäischen Autohersteller durch höhere Materialkosten als in den USA und China in Bedrängnis geraten. Zugleich wären sie dann in beiden Ländern auch preislich nicht wettbewerbsfähig.


   US-Verbraucher könnten Zeche zahlen 

Die US-Automobilhersteller hingegen werden die Schaffung teurer vorgelagerter Lieferketten für Batterien und Mineralien subventionieren müssen, während sie auf billige chinesische Batterien verzichten, die bereits jetzt erhältlich sind. Und die US-Verbraucher könnten gezwungen sein, für minderwertige, relativ teure, im Inland produzierte E-Fahrzeuge für den Massenmarkt zu bezahlen. Das wäre der Fall, wenn die chinesischen Hersteller von Billig-E-Fahrzeugen zu dem Schluss kommen, dass der US-Markt mehr Ärger macht als er wert ist.

Die westliche Industrie umweltfreundlicher zu machen und den Würgegriff Pekings über wichtige globale Lieferketten zu brechen, sind lohnenswerte Ziele. Sie werden aber auch kostspielig sein.

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(END) Dow Jones Newswires

January 06, 2023 05:21 ET (10:21 GMT)