Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX hat die Performance-Erwartungen der Banken an das kommende Jahr mit der Herbstrally bereits mehr oder weniger abgefrühstückt. Nachdem der deutsche Leitindex seit der Fertigstellung vieler Prognosen Mitte November noch einmal um etwa 1.000 Punkte zugelegt hat, sind die Prognosen zur Makulatur geworden. Gemessen an deren Mittelwert von etwa 17.200 Punkten dürften sich die Kurse im kommenden Jahr kaum noch verändern, da allein die Dividendenrendite laut DZ Bank 3,5 Prozent betragen dürfte. Das macht im DAX mehr als 500 Punkte aus.

Abgegrast ist aber wahrscheinlich auch das Potenzial am Anleihemarkt, zumindest bei den Langläufern. Mit einer Rendite von aktuell nur noch knapp 2 Prozent haben deutsche 10-jährige Papiere einen Rückgang der Inflation in den Zielkorridor der Europäischen Zentralbank (EZB) unterhalb der Marke von 2 Prozent bereits vorweggenommen. Da sich die Verkürzung der Zentralbankbilanzen auch im Umfeld der erwarteten Leitzinssenkungen fortsetzen dürfte, ist ein erneuter Rückgang der Langläufer-Rendite Richtung Null oder gar darunter sehr unwahrscheinlich. Damit sind Anleihen im Unterschied zur Situation vor einigen Wochen nun keine Alternative mehr. TINA ist damit zurück, also "There Is No Alternative" zum Aktienmarkt.

Die Gewinne der DAX-Unternehmen dürften zwar aufgrund der nach wie vor mauen Konjunkturaussichten im kommenden Jahr nur leicht steigen, auf umgerechnet etwa 1.450 DAX-Punkte von 1.400. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 12 ist der DAX damit aber immer noch sehr günstig bewertet, gerade auch verglichen mit dem US-Markt.

Zudem stehen nun Zinssenkungen der EZB und der US-Notenbank vor der Tür. Ein Zinssenkungszyklus führt in der Regel zu KGV-Ausweitungen. Sollte das KGV nur um 15 Prozent auf einen dann immer noch eher unterdurchschnittlichen Wert von etwa 13,5 steigen, müsste der DAX die 19.000er Marke übertreffen. Sollten sich dann in der zweiten Jahreshälfte bessere Konjunktur- und damit Gewinnaussichten für 2024 durchsetzen, sollte ein Flirt mit der 20.000er Marke drin sein.


   US-Markt nicht mehr in der Pole Position 

In den USA dürfte das Aufwärtspotenzial dagegen deutlich niedriger sein. Das Präsidentschaftswahljahr führt im Durchschnitt zu einem Plus von gut 7 Prozent, wie es bei Wellenreiter-Invest heißt. Dabei ist die Verschuldung von über 120 Prozent des BIP allerdings so hoch, dass die üblichen Wahlgeschenke über die Fiskalpolitik nur eingeschränkt zu erwarten sind. Zudem ist der US-Markt mit einem KGV von etwa 18 im S&P-500 bereits jetzt vergleichsweise teuer.

Die Chancen stehen damit gut, dass nach S&P-500, Nasdaq und Dow Jones im kommenden Jahr der DAX in die Pole Position kommt. Daneben machen die südeuropäischen Börsen einen guten Eindruck, sie arbeiten die Underperformance aus der Finanzkrise auf, und das sollte sich fortsetzen. Einen guten charttechnischen Eindruck macht der Nikkei-Index in Tokio. Sollten die Zinsen in Japan wie erwartet nur leicht steigen, könnte er zunächst das Allzeithoch aus dem Jahr 1989 bei knapp 39.000 Punkten testen.

Die von vielen Marktteilnehmern erhoffte Konsolidierung im ersten Quartal dürfte im DAX wegen der Nachfrage nach dividendenstarken Titeln tendenziell sehr flach verlaufen. Die Möglichkeit für Rückschläge bietet sich damit vor allem im Sommer an, ehe mit dem Spätsommer die erwarteten 2025er Gewinne zu einer neuen Aufwärtswelle führen könnten.

Börse lebt von unterschiedlichen Meinungen. Das Analysehaus Sentix ist deutlich negativer gestimmt und rechnet im Jahresverlauf mit einem Rückschlag auf 13.000 Punkte. Sentix erwartet eine Rückkehr der Angebotsknappheit auf den Märkten für Güter und Dienstleistungen und damit eine Rückkehr der Inflation mit steigenden Renditen. Auszuschließen ist an den Märkten nie etwas, doch aus derzeitiger Sicht deutet sich ein solches negatives Szenario nicht an.


=== 
DAX-Prognosen 2024 
 
 
MEDIAN                  17.300 
MITTELWERT              17.223 
 
Maximum                 18.000 
Minimum                 16.000 
 
BayernLB                17.000 
Deka                    17.800 
Deutsche Bank           16.600 
Donner & Reuschel       17.300 
DZ Bank                 17.500 
Hamburg Commercial Bank 16.900 
Hauck Aufhäuser Lampe   17.000 
Helaba                  17.500 
LBBW                    18.000 
M.M Warburg             18.000 
NordLB                  17.000 
Societe Generale        16.000 
Unicredit               17.300 
=== 

(Mitarbeit: Volkan Ictuerk)

DJG/hru/mod/ros/gos

(END) Dow Jones Newswires

December 29, 2023 07:00 ET (12:00 GMT)