New Work heißt mehr Verantwortung für alle. Werden Führungskräfte obsolet?

Das sehe ich nicht so. Im Gegenteil. Ihre Rolle verändert sich. Zum einen gibt es auch in agilen Strukturen Mitarbeiter, die mehr Führung als andere brauchen. Denn wo viele Menschen arbeiten, menschelt es nun mal. Und es braucht nach wie vor eine Funktion, die für alle Mitarbeiter die Kommunikationszugänge, Transparenz und Rahmenbedingungen sicherstellt. Das ist in der agilen Zusammenarbeit noch wichtiger als in klassischen Strukturen. Auch neue Arbeitsformen brauchen dieses Zwischenglied.

Die neue Arbeitswelt braucht keine Silos. Stimmt das oder bilden sich nur einfach neue?

Ein Abteilungssilo ist nichts anderes als ein Ordnungsgefüge, in dem sich Menschen sicher und zugehörig fühlen. Dieses Bedürfnis bleibt. Löse ich Strukturen auf, muss ich die Lücke füllen. Deshalb sind Räume für Begegnungen wichtig. Breite Flure, die zentrale Kaffeeküche, Kommunikationszonen, in denen man sich begegnen und austauschen kann.

New Work bedeutet Flexibilität - auch bezogen auf den Arbeitsplatz. Was passiert, wenn der eigene Schreibtisch plötzlich weg ist?

Das sollte man behutsam angehen. Passen flexible Arbeitsplätze nicht zur Kultur, macht sich eine Art Handtuchmentalität breit. Das heißt, die Mitarbeiter belegen in der Früh immer den gleichen Platz neben den möglichst gleichen Kollegen. Außerdem stresst es manche Menschen grundsätzlich mehr als andere, wenn sie sich jeden Tag einen neuen Platz suchen müssen. Umso wichtiger ist es, dass ich durch neue virtuelle oder reale Kommunikationsorte andere Heimaten biete.

Nun wird nicht jedes Büro gleich zum Innovation Center. Was gilt es hier zu beachten?

Unsere Erfahrung lautet: Innovationsräume werden am besten angenommen, wenn die Mitarbeiter in ihre Entstehung einbezogen werden. Ideal ist eine Art Prototyping. Das heißt: Die Teams überlegen, was ihnen wichtig ist, bekommen ein kleines Budget und gestalten ihre Collaboration Area zum Beispiel mit IKEA-Möbeln. Viele allein von Architekten durchgestylte Räume stehen im Alltag leer, weil sie nicht den Bedürfnissen der Mitarbeiter entsprechen.

Neue Arbeitswelten kann man nicht einfach verordnen. Viel bewirkt die Möglichkeit zwischen Stehen und Sitzen zu wechseln, Tageslicht, offene, weite Räume, ein gutes Raumklima, Pflanzen. Auch Kleinigkeiten wie Wasser, guter Kaffee oder Obst sorgen dafür, dass Menschen sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen und sich dort gerne aufhalten. Die Trennung von Leben und Arbeit ist gerade für junge Menschen keine Option mehr.

Das Interview führte Annette Mühlberger, Fachjournalistin

New Work und Agilität ist Thema in Ausgabe 1/20 des BME-Fachmagazins BIP - Best In Procurement, das am 24.1. erscheint.

BME - Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. veröffentlichte diesen Inhalt am 23 Januar 2020 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 23 Januar 2020 10:00:03 UTC.

Originaldokumenthttps://www.bme.de/3185/

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