(neu: Blinken, Netanjahu, Hisbollah-Chef, Auswärtiges Amt)

Gaza/Jerusalem (Reuters) - US-Außenminister Antony Blinken hat Israel aufgefordert, bei dem Vergeltungsfeldzug für das Hamas-Massaker vom 07. Oktober die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schonen.

Die israelisch Regierung habe zwar das Recht, "alles Mögliche zu tun", um eine Wiederholung des Angriffs vor vier Wochen zu verhindern, sagte Blinken am Freitag in Israel. Zugleich sei es aber wichtig, alles dafür zu tun, dass Zivilisten nicht ins Kreuzfeuer gerieten und geschützt seien. Zudem müssten die Menschen mit dem versorgt werden, was sie verzweifelt benötigten.

Blinken reiste bereits zum zweiten Mal in die Region seit dem Angriff der radikal-islamischen Hamas auf israelische Zivilisten vor vier Wochen. Dabei wurden nach israelischen Angaben rund 1400 Menschen getötet, zumeist Zivilisten, und rund 240 Geiseln genommen, die seitdem im Gazastreifen festgehalten werden. Die israelischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge Gaza-Stadt mittlerweile eingekesselt, wo die Hamas ihren Sitz hat. Ziel Israels ist es, die radikal-islamische Organisation zu vernichten. Die USA fordern angesichts der dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen aber eine Feuerpause, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Blinken traf mit Israels Präsident Isaac Herzog und Regierungschef Benjamin Netanjahu zusammen und wollte konkrete Schritte ausloten, die Folgen für die Zivilbevölkerung zu mildern. Netanjahu lehnte eine Feuerpause aber erneut ab. Darüber könne erst gesprochen werden, wenn die Geiseln frei seien, sagte er nach dem Treffen mit Blinken.

Im Gazastreifen fehlt es an allem, Nahrungsmittel, Treibstoff, Wasser und an medizinischer Versorgung. Die US-Regierung hat betont, eine Feuerpause sollte lediglich temporär und lokal begrenzt gelten. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten palästinensischen Gesundheitsbehörde im Gazastreifen sind bei den israelischen Angriffen bislang mindestens 9061 Menschen getötet worden. In dem Küstengebiet leben rund 2,3 Millionen Menschen.

Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari sagte am Freitag, die Soldaten machten Fortschritte und hätten Gaza-Stadt umzingelt. Die Infrastruktur der Hamas werde zerstört "ober- und unterirdisch", "Terroristen" würden eliminiert. Militärsprecher Richard Hecht ergänzte, es tobe ein komplexer städtischer Kampf. Auch in der Nacht zum Freitag seien Ziele in Gaza aus der Luft, vom Meer aus und mit Artillerie beschossen worden. Dabei seien mehrere Hamas-Kämpfer getötet worden, darunter auch ein Kommandeur. Bislang sind den Angaben zufolge 23 israelische Soldaten getötet worden. Die Hamas hat ihre Infrastruktur vor allem in einem weitläufigen Tunnelsystem organisiert, das das israelische Militär besonders im Visier hat.

HISBOLLAH-CHEF: USA FÜR GAZA-KRIEG VERANTWORTLICH

Die Vereinigten Arabischen Emirate warnten vor der Gefahr eines regionalen Flächenbrands. "Während wir weiter daran arbeiten, diesen Krieg zu stoppen, können wir die regionalen Auswirkungen und die Notwendigkeit, die überhitzte Situation abzukühlen, nicht ignorieren", sagte Nura al-Kaabi, Staatsministerin für auswärtige Angelegenheiten, in Abu Dhabi. Die Gefahr einer weiteren Eskalation sei real. Befürchtet wird vor allem, dass die vom Iran unterstützte radikalislamische Hisbollah vom Libanon aus in den Konflikt eingreifen könnte.

Hisbollah-Führer Sajjed Hassan Nasrallah äußerte sich am Freitag erstmals öffentlich zu den aktuellen Entwicklungen. Dabei betonte er, die Angriffe am 07. Oktober seien "zu 100 Prozent" von Palästinensern ausgegangen. Für den Krieg im Gazastreifen machte er aber allein die USA verantwortlich. Was dort gerade passiere, sei eine "entscheidende Schlacht". Konkrete Andeutungen, die Hisbollah könnte Israel vom Libanon aus umfangreich angreifen und damit eine zweite Front eröffnen, machte Nasrallah zwar nicht. Er sagte aber, eine weitere Eskalation an der libanesischen Front sei eine "realistische Möglichkeit". Alle Optionen blieben offen.

Am Grenzübergang Rafah vom Gazastreifen nach Ägypten warteten weitere ausländische Staatsbürger und Verletzte auf ihre Ausreise. Am Mittwoch war der Grenzübergang erstmals geöffnet worden, mindestens 320 Menschen hatten ausreisen können. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts bestätigte in Berlin, bislang habe eine niedrige einstellige Zahl deutscher Staatsbürger aus dem Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah ausreisen können. Eine niedrige dreistellige Zahl registrierter deutscher Staatsbürger befinde sich derzeit noch im Gazastreifen.

(Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Nidal al-Mughrabi und Simon Lewis und Maytaal Angel