Die angekündigten erneuten Drosselungen der Ölproduktion und Daten, die eine Abkühlung der Wirtschaft in China und der Eurozone belegen, schürten diese Woche die Risikoaversion der Marktteilnehmer an den wichtigsten Finanzmärkten. Im Vorfeld der geldpolitischen Entscheidungen der Notenbanken nahm die Volatilität wieder zu und die Aktienmärkte gaben im Anschluss an einen recht ruhigen Sommer etwas nach. Der US-Dienstleistungssektor entwickelte sich im August überraschend gut, gleichzeitig gab es weniger wöchentliche Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe als erwartet. Das nährte Sorgen vor längerfristig hohen Zinsen.
Wochenperformance*
DAX
15740  -0.63%Chart
STOXX EUROPE 600
454.66  -0.76%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4457.49  -1.29%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
32606.84  -0.32%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1918.07$  -1.16%
Chart GOLD
BRENT OIL
90.39$  +1.88%
Chart BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.07$  -0.71%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

TOPS

Luckin Coffee (+15%): Neue Kaffeekreation löst Hype aus. Der in den USA börsennotierte chinesische Rivale von Starbucks brachte zusammen mit dem chinesischen Spirituosenhersteller Kweichow Moutai einen Caffè Latte mit Moutai-Schnaps auf den Markt. Die Nachricht verbreitete sich über die sozialen Medien des Landes in Windeseile, sodass binnen 24 Stunden 5 Millionen Tassen des Getränks für rund 14 Mio. USD über die Theke gingen. Ein enormer Erfolg für die führende Kaffeehauskette im Reich der Mitte!

UI Path (+13,8%): Der in Rumänien gegründete und an der NYSE notierte Anbieter von Software für die Automatisierung von Roboterprozessen reitet auf der Welle der künstlichen Intelligenz, was kaum überrascht. Die Firma ist der neue Liebling der Investorin Cathie Wood und meldete solide Quartalsergebnisse, wobei Umsatz und Gewinn je Aktie die Erwartungen deutlich übertrafen. Angesichts eines Wachstums in allen Segmenten hob die Unternehmensleitung ihre Jahresprognosen an und gab den Rückkauf von Aktien im Wert von 500 Mio. USD bekannt.

Direct Line Insurance Group (+11,6%): Der britische Versicherer, der diese Woche eine Ausweitung des Verlustes im 1. Halbjahr 2023 meldete, hat eine Vereinbarung über den Verkauf seines gewerblichen Maklerversicherungsgeschäfts an RSA Insurance (eine Tochtergesellschaft der kanadischen Versicherungsgruppe Intact Financial) für mindestens 520 Mio. GBP abgeschlossen. Dies beruhigte die Marktteilnehmer, die auch die höheren Nettokapitalerträge begrüßten. Zur Erinnerung: Ende August hatte der Versicherer Adam Winslow, den ehemaligen Chef von Aviva PLC UK, als neuen CEO eingesetzt.

Bridgepoint Group (+8,8%): Der britische Vermögensverwalter steigt in den Infrastruktursektor ein. Das Unternehmen gab diese Woche die Übernahme von Energy Capital Partners (ECP) für 835 Mio. GBP bekannt. Die US-Firma hat sich auf die Energiewende, die Elektrifizierung und die Dekarbonisierung der Infrastruktur spezialisiert. Außerdem will Bridgepoint nach Abschluss des laufenden Aktienrückkaufprogramms weitere Papiere im Wert von 50 Mio. GBP zurückkaufen.

Centene Corporation (+8,5%): Der US-Gesundheitsdienstleister zieht sich aus Großbritannien zurück. Das Unternehmen will seine Kette mit Hausarztpraxen (60 Praxen in Großbritannien) für rund 65 Mio. USD und den größten britischen Privatklinikbetreiber Circle Health Group für einen Unternehmenswert von ca. 1,2 Mrd. USD verkaufen. Daraufhin hoben mehrere Analysten ihre Empfehlungen für die Aktie an.

Colruyt (+8,4%): Das belgische Handelsunternehmen verzeichnete einen Kurssprung, der durch eine drastische Änderung der Empfehlung von JPMorgan von Verkaufen auf Kaufen und eine Korrektur des Kursziels von 23,30 EUR auf 39,80 EUR ausgelöst wurde. Das Institut geht davon aus, dass das Unternehmen das aktuell schwierige Umfeld meistern wird. Im Gegenzug senkte das Analysehaus seine Einschätzung des Konkurrenten Ahold-Delhaize, der sich auf Talfahrt befindet.

Airbnb (+8%): Einer Mitteilung von S&P Dow Jones Indices zufolge wird der Vermieter von Unterkünften am 18. September zusammen mit dem Finanzinvestor Blackstone in den S&P 500 aufgenommen. Dafür scheiden Lincoln National und Newell Brands aus, die Teil des S&P SmallCap 600 werden. Airbnb dürfte erheblich von der Indexaufnahme und der Bekanntheit des prominenten US-Index profitieren, der von zahlreichen Indexfonds nachgebildet wird. Übrigens verkaufte CEO Brian Chesky am 1. September 30.000 Airbnb-Aktien, und vier Tage später trennte sich Strategiechef Nathan Blecharczyk von 20.000 Aktien.

FLOPS

Vinfast Auto (-39%): Nachdem der vietnamesische Hersteller von Elektroautos im August einen fulminanten Börsenstart an der Wallstreet hingelegt hatte und mit den am höchsten bewerteten Automobilproduzenten mithalten konnte, war die Euphorie nur von kurzer Dauer. Der geringe Streubesitz (1%) sorgte für extrem hohe Volatilität, bevor die Spekulationen über die Marke wieder nachließen. Das Unternehmen hat zudem mit dem schwierigen Umfeld zu kämpfen und leidet unter mangelnder Bekanntheit.

CVS Group (-22,2%) & Pets at Home (-8,4%): Hiobsbotschaft für Anbieter von Veterinärdiensten in Großbritannien: Die britische Wettbewerbs- und Marktaufsicht CMA knöpft sich den Sektor vor. Sie hat vor dem Hintergrund der rasanten Teuerung, des Tierärztemangels im Land und nach einer Konsolidierungswelle angekündigt, die Geschäftspraktiken der Haustierpraxen zu untersuchen, die sich einen Markt mit einem Volumen von 2 Mrd. GBP pro Jahr teilen. Die Ergebnisse werden Anfang 2024 erwartet.

Manchester United (-16,6%): Das Unternehmen, das den bekannten britischen Fußballverein kontrolliert, erhielt einen herben Dämpfer. Die Familie Glazer, in deren Besitz sich der Verein befindet, hat nach eigenen Angaben kein zufriedenstellendes Angebot erhalten und kündigte daher diese Woche an, die Aktien des Unternehmens von der Börse zu nehmen. Auch die enttäuschenden Ergebnisse machen den bei den Fans nicht sehr beliebten Glazers zu schaffen: In den letzten sechs Spielzeiten hat der Verein nämlich nur eine große Trophäe geholt.

Orsted (-14,4%): Für die Akteure des Offshore-Windsektors - und damit auch für den dänischen Weltmarktführer - ziehen dunkle Wolken am Horizont auf. Die steigenden Preise von Komponenten (vor allem aus Stahl und Kupfer), der harte Wettbewerb, Lieferprobleme und die steigenden Zinsen setzen dem Unternehmen schwer zu. Ende August wurde bekannt gegeben, dass Vermögenswerte im Wert von über 2,1 Mrd. EUR abgeschrieben werden. Diese Woche gab Orsted an, dass einige Projekte in den USA möglicherweise aufgegeben werden müssen, wenn die Regierung nicht mehr Unterstützung (in Form von Subventionen) bereitstellt.

Interparfums (-10,1%): Die Aktie des französischen Parfümherstellers gab nach, weil sich die Anleger um die Zukunft der Vertriebslizenzen des Unternehmens sorgten. Der Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont hatte diese Woche die Einrichtung einer Parfüm- und Beauty-Abteilung angekündigt. Die Führung übernimmt der Branchenveteran Boet Brinkgreve, der zuvor beim Duftstoffhersteller DSM-Firmenich tätig war. Die Marktteilnehmer befürchten, dass Richemont die Lizenzen für die Marken MontBlanc und Van Cleef infrage stellen könnte, mit denen der französische Einzelhändler im vergangenen Jahr 29% seines Umsatzes erzielte.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Energiefrage rückt für die Wirtschaft erneut in den Mittelpunkt. Denn der rasante Ölpreisanstieg macht das Szenario einer erneuten Inflationsbeschleunigung wahrscheinlicher. Saudi-Arabien und Russland drehen den Ölhahn weiter zu und gaben koordiniert bekannt, dass sie ihre freiwillige Produktionskürzung bis zum Jahresende verlängern werden. Saudi-Arabien reduziert seine Förderung um eine Million Barrel und Russland um 300.000 Barrel pro Tag. Und das in einer Zeit, in der das Angebot am Ölmarkt bereits seit einigen Monaten sinkt. Diese Verknappung ist eine Folge der Produktionskontrolle durch die OPEC, während die Ölnachfrage unverändert solide ist. In diesem Umfeld steigen die Ölpreise weiter auf 90,60 USD bzw. 87,50 USD für Rohöl der Sorten Brent und WTI. Im Erdgassektor haben die Streiks bei den LNG-Anlagen von Chevron in Australien begonnen. Aktuell stabilisieren sich die europäischen Referenzpreise. Am niederländischen Handelsplatz TTF liegt der Preis bei ca. 36 EUR/MWh.

Metalle: In der vergangenen Woche war bei Industriemetallen eine Konsolidierung zu beobachten. Belastend hatten sich der starke Dollar und weiterhin durchwachsene Daten aus China ausgewirkt. Kupfer gab dementsprechend an der LME auf 8300 USD pro Tonne nach. Nickel (20.100 USD) zeigte eine ähnliche Entwicklung, während Aluminium (2.200 USD) und Zink (2.480 USD) seitwärts tendierten. Im Segment der Edelmetalle setzte China seine Goldkäufe fort. Die Goldreserven des Landes sind somit den zehnten Monat in Folge gestiegen. Nach Angaben des Weltgoldrats hat China seine Goldbestände über die Zentralbank im Juli um 23 Tonnen ausgebaut. Gold leidet jedoch weiterhin unter dem Anstieg der Anleiherenditen, was einen Rückgang auf ca. 1.920 USD zur Folge hatte.

Agrarprodukte: An der Börse in Chicago hat die Volatilität erneut nachgelassen und die Getreidepreise blieben weitgehend stabil. Ein Scheffel Mais kostet etwa 490 Cent, der Preis für Weizen liegt bei rund 600 Cent.

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Am liebsten wohltemperiert! Die Notenbank senkt ihren Leitzins um 75 Basispunkte! Kaum zu glauben, aber wahr: Genau diesen Schritt ist die polnische Notenbank gegangen. Bis die EZB und die US-Notenbank Fed nachziehen, wird es wohl noch etwas dauern. Die meisten Wirtschaftsexperten sind allerdings der einhelligen Meinung, dass das Ende der geldpolitischen Straffung in den USA nah ist. Am Rentenmarkt herrscht eher Unsicherheit. Haben die Zinsen in den USA ihren Zenit erreicht? Diese Frage ist an den Märkten rund um den Globus in aller Munde. Alle neuen Zahlen werden unter die Lupe genommen, um sicherzugehen, dass sich das Umfeld des Basisszenarios (Inflation unter Kontrolle, weiche Landung der US-Wirtschaft) nicht plötzlich verschlechtert. Nicht zu heiß, damit nicht erneut an der Zinsschraube gedreht wird, und nicht zu kalt, um keine Rezessionsängste zu schüren.

Am besten lässt sich die Stimmung an der Entwicklung zehnjähriger US-Treasuries ablesen. Seit April sind sie im Aufwind und haben bereits die Höchststände von 2022 bei 4,34% getestet, ohne sie allerdings zu überschreiten. Wir werden die Unterstützungslinie bei 4,00% aufmerksam beobachten, bevor wir einen deutlichen Rückgang bestätigen, der den Aktienindizes automatisch nach oben verhelfen dürfte. Ein deutlicher Anstieg auf über 4,34% zum Wochenschluss würde den Weg zur 5%-Marke ebnen und gleichzeitig die Börse belasten.

Kryptowährungen: Der Bitcoin verzeichnete die vierte Woche in Folge Verluste und pendelte bei Redaktionsschluss um die Marke von 25.800 USD. Ähnlich ist die Lage bei der gemessen an der Kapitalisierung zweitwichtigsten Kryptowährung Ethereum, die auf ca. 1.600 USD abrutschte. Der Markt für Kryptowährungen ist immer noch in einem für Risikoanlagen ungünstigen Wirtschaftsumfeld gefangen und kämpft vergebens um die Gunst der Anleger. Die Genehmigung eines Bitcoin-Spot-ETFs durch die US-Börsenaufsicht SEC in den nächsten Wochen könnte den Markt wieder in Schwung bringen. Aber derzeit ist alles offen.
Kurs und Volumen
Die EZB macht sich bereit
Das Wochenende beginnt mit dem G20-Gipfel in Indien. Die US-Notenbanker werden sich ab Freitag in Schweigen hüllen, um die Nachrichtensperre im Vorfeld der am 20. September anstehenden geldpolitischen Entscheidung zu respektieren. Die EZB wird sich am 14. September zu den Zinsen äußern. Bis dato rechnen Wirtschaftsexperten mit einer Anhebung um einen Viertelprozentpunkt. In den USA werden einige wichtige Zahlen veröffentlicht, angefangen von den Verbraucherpreisen im August (13. September), über die Erzeugerpreise und Einzelhandelsumsätze (14. September) bis hin zum Empire-State-Index und dem Verbrauchervertrauensindex der Universität Michigan (15. September). In der Nacht von Donnerstag auf Freitag werden darüber hinaus die Zahlen zur Industrieproduktion und den Einzelhandelsumsätzen in China erwartet. Bei den Ergebnisveröffentlichungen dürften Oracle, Associated British Foods, Inditex, Exor, Dollarama und Adobe die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.