Berlin (Reuters) - Die Corona-Krise hat dem 2007 begonnenen Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt ein vorläufiges Ende bereitet.

Die Zahl der Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland sank im Jahresschnitt 2020 um 477.000 oder 1,1 Prozent auf rund 44,8 Millionen, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. "Damit endete in der Corona-Krise der über 14 Jahre, auch während der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 anhaltende Anstieg der Erwerbstätigkeit in Deutschland", erklärten die Statistiker. Die größten Beschäftigungsverluste verzeichnete die Bereiche, die am stärksten unter der Corona-Rezession litten - darunter Handel, Verkehr und Gastgewerbe, aber auch die Industrie. Experten zufolge wird das Vorkrisenniveau frühestens 2022 wieder erreicht.

"Wir gehen davon aus, dass die Erwerbstätigkeit im Laufe des Jahres 2021 wieder zunehmen wird, weil sich die Konjunktur im Zuge des Impffortschritts erholen dürfte", sagte der Vizepräsident des Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller, der Nachrichtenagentur Reuters. "Das Niveau des Jahres 2019 dürfte aber erst 2022 wieder erreicht werden." Das IWH geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im gerade begonnenen Jahr um 4,4 Prozent wachsen wird, nach einem Rückgang um rund fünf Prozent 2020. Im kommenden Jahr soll dann ein Plus von 3,2 Prozent herausspringen.

Der seit 2007 währende Beschäftigungszuwachs wäre vermutlich auch ohne die Corona-Rezession bald zu einem Ende gekommen, betonte das Statistikamt. Der Grund: Das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial schwindet aufgrund des demografischen Wandels, weil die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in Rente gehen und eine Lücke reißen. "Diese Entwicklung wird derzeit immer schwächer durch eine höhere Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung sowie die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte kompensiert", so das Statistikamt dazu.

"DEMOGRAFIE HINTERLÄSST SCHON SPUREN"

Das schätzt das IWH ähnlich ein. "Die Demografie hat schon im vergangen Jahr ihre Spuren hinterlassen", sagte Holtemöller. Zudem sei der Wanderungssaldo - die Differenz zwischen den Zuzügen nach Deutschland und den Fortzügen ins Ausland - deutlich niedriger ausgefallen als zuvor erwartet. Allein die Demografie dämpfe auch das Wirtschaftswachstum bis 2025. Zusätzlich dürfte die Arbeitszeit je Beschäftigten sinken, etwa durch eine höhere Teilzeitquote älterer Beschäftigter.

Den stärksten Rückgang der Erwerbstätigen gab es im vergangenen Jahr bei den Dienstleistern mit 281.000. Insgesamt waren noch rund 33,5 Millionen Personen in den Dienstleistungsbereichen tätig. Die größten Beschäftigungsverluste darunter hatten der Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe mit 207.000 Erwerbstätigen und die Unternehmensdienstleister mit 156.000, zu denen auch die Arbeitnehmerüberlassung zählt. Beschäftigungsgewinne gab es hingegen im Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit mit 153.000.

Im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) sank die Erwerbstätigenzahl um 191.000 auf rund 8,2 Millionen. Vom Baugewerbe kamen mit einem Anstieg um 17.000 auf rund 2,6 Millionen noch positive Impulse. In der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei waren 22.000 Personen weniger erwerbstätig als 2019.