Der Verkauf digitaler Währungen nimmt Fahrt auf, aber ohne Regulierung gibt es viele Fragen

Eine kleine, aber schnell wachsende Zahl von Start-ups im Bereich der digitalen Technologie beschafft sich Geld, indem sie ihre eigenen Währungen kreieren und verkaufen, und zwar in Angeboten, die Banken oder Risikokapitalfirmen als Vermittler umgehen und außerhalb der Reichweite der Finanzaufsichtsbehörden liegen.

Die Anleger hoffen, dass solche "Initial Coin Offerings" die Leistung der ersten digitalen Währung, Bitcoin, erreichen oder übertreffen werden.

Für die Verkäufer ist der Anreiz, ihre eigenen Währungen oder Token zu verkaufen, um Geld zu beschaffen, enorm. Es gibt keinen Papierkram, wie er bei einem öffentlichen Wertpapierverkauf erforderlich wäre.

Doch das Fehlen einer behördlichen Aufsicht lässt bei einigen Marktexperten und Anwälten für Finanztechnologie die Alarmglocken schrillen, von denen einige sogar die Rechtmäßigkeit der Token in Frage stellen.

Joe Zhou sagt, dass er nur 58 Sekunden brauchte, um genügend Token zu verkaufen, um das Ziel von rund 5,5 Millionen US-Dollar für FirstBlood, die von ihm mitbegründete Website für Online-Spiele, zu erreichen.

"Wir hatten damit gerechnet, dass der Verkauf einen Monat lang laufen würde, und wir gaben den Teilnehmern sogar Frühbucherrabatte, weil wir nicht sicher waren, wie es laufen würde", sagte Zhou.

Die von FirstBlood verkauften Token sind wie die anderer Unternehmen die Währung, die benötigt wird, um beispielsweise Spiele auf der Plattform zu spielen oder Belohnungen für Empfehlungen zu erhalten.

Für FirstBlood bestand der Vorteil einer eigenen Währung darin, den Spielern die vollständige Kontrolle über ihre Gelder zu geben, ohne zwischengeschaltete Stellen wie Banken und mit Verschlüsselungsfunktionen zum Schutz vor Hacks.

Die Transaktionen werden mit Hilfe der Blockchain verbucht, einem Transaktionsbuch, das ursprünglich als Software für Bitcoin entwickelt wurde und von einem Netzwerk von Computern im Internet verwaltet wird. Blockchain hat sowohl an der Wall Street als auch an der Main Street an Zugkraft gewonnen, da die Technologie in der Lage ist, die Bewegungen von Vermögenswerten aufzuzeichnen und zu verfolgen.

Alle Unternehmen, die durch den Verkauf von Token Kapital beschaffen, sind im Bereich der Blockchain tätig.

Der Markt ist noch winzig, aber er wächst rasend schnell. In diesem Jahr wurden bei 40 Initial Coin Offerings (ICOs) bisher etwa 225 Millionen Dollar aufgebracht, verglichen mit nur 9,8 Millionen Dollar im Jahr 2015, wie Daten des Kryptowährungsforschungsunternehmens Smith + Crown zeigen.

SIND ICOS LEGAL?

Mit einem solch schnellen Wachstum gehen wilde Preisschwankungen bei Währungen einher, die an Börsen für digitale Vermögenswerte wie Bittrex gehandelt werden, und die Anleger haben keine Möglichkeit, verlorenes Kapital zurückzuholen.

"Was die Leute verkaufen, sind eigentlich nur Internet-Token, die keinen Wert und keine rechtliche Bedeutung haben und keine Vermögenswerte darstellen", sagte Preston Byrne, Chief Operating Officer und General Counsel bei Monax Industries, einem Technologieunternehmen, das eine Plattform entwickelt hat, die auf selbstausführenden Transaktionen, so genannten Smart Contracts, basiert.

Einige Marktteilnehmer sind der Meinung, dass ICOs illegal sein könnten, weil die Unternehmen Token verkaufen, die als Wertpapiere angesehen werden können, die in die Zuständigkeit der Securities and Exchange Commission (SEC) fallen.

Die SEC lehnte eine Stellungnahme ab.

"Münzen Kleinanlegern als Investition anzubieten und dann das System ohne Registrierung zu betreiben, verstößt wahrscheinlich gegen das Gesetz", sagte Byrne.

Zhou von First Blood möchte das Münzangebot des Unternehmens nicht als ICO bezeichnen, sondern zieht es vor, es einen "Vorverkauf oder Crowd Sale" zu nennen.

Lewis Cohen, Partner bei der Anwaltskanzlei Hogan Lovells in New York, sagte, wenn der Emittent des Tokens beabsichtige, Geld von anderen zu Investitionszwecken zu beschaffen, könnten die verkauften Münzen als Wertpapier betrachtet werden.

Cohen ist der Meinung, dass die SEC ICOs selbst untersuchen kann, aber er sagte, dass sie sich anscheinend zurückhält, solange nicht die Sorge besteht, dass Anleger viel Geld verloren haben.

Bei der Entscheidung, ob ein Münzverkauf legal ist, sagte Peter Van Valkenburgh, Forschungsdirektor der Kryptowährungs-Lobbygruppe Coin Center in Washington, dass es wichtig ist, festzustellen, ob der Token eine nützliche Anwendung hat, die nicht nur für Investitionen bestimmt ist.

"Die SEC verfolgt seit langem die Politik, keine Wertpapiere zu regulieren, die Menschen kaufen und verkaufen, um sie zu nutzen", sagte Van Valkenburgh.

Als Beispiel nannte er Anteile an Immobiliengenossenschaften in New York City, die von Personen gekauft werden, die in der Wohnung, die die Anteile repräsentieren, leben wollen. Der Verkauf von Anteilen an Genossenschaften ist nicht durch die SEC geregelt.

"Genossenschaften könnten also ähnlich wie im Bereich des dezentralen Computings sein", sagte Van Valkenburgh. "Man kauft den Token vielleicht, weil der Preis steigen kann, aber man kauft ihn auch, weil er einen Nutzen hat."

Diese Token, deren Verkauf in verschiedenen Kryptowährungsforen und Chatseiten beworben wird, werden in erster Linie von Technologieenthusiasten, Softwareentwicklern sowie institutionellen und Kleinanlegern gekauft.

"Vertrauen ist der größte Faktor bei ICOs", sagte Jani Valjavec, Direktor für Technologie und Handel bei ICONOMI, das in diesem Jahr bei einem Münzverkauf mehr als 10 Millionen Dollar einnahm.

"Die Leute werden sich immer fragen: Sind diese Typen echt? Werden sie weglaufen?"

STARKE PREISSCHWANKUNGEN

Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Volatilität der ausgegebenen Token.

Die Daten von Smith + Crown zeigen, dass der Großteil der neuen Währungen, die in diesem Jahr auf den Markt gebracht wurden, in der Regel nach dem Handel an einer Börse im Anschluss an ihren ICO gefallen sind.

Von den 28 Start-ups, die 2016 Token ausgegeben haben, haben etwa zwei Drittel erlebt, dass der Wert ihrer Währungen unter ihren anfänglichen Preis beim Münzverkauf gefallen ist, sagte Matt Chwierut, Forschungsdirektor von Smith + Crown.

Die Märkte für Kryptowährungen sind notorisch volatil, mit großen Preisschwankungen im Laufe von Tagen, sagte Chwierut. "Es ist kein Markt für schwache Nerven."

Jake Brukhman, ein Partner bei CoinFund mit Sitz in den USA, der in diese Währungen investiert, sagte, dass die Zahl der Währungen, die nützliche Anwendungen haben, ziemlich klein ist.

"Es gibt einen langen Schwanz von Münzen auf dem Markt, die größtenteils nicht wirklich viel neue Technologie hinzufügen", sagte Brukhman.