Berlin/Paris (Reuters) - Der frühere US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Drohung, missliebigen europäischen Ländern den amerikanischen Schutz vor einem russischen Angriff zu entziehen, Kritik und die Forderung nach mehr Militärausgaben ausgelöst.

"Die Nato kann kein Militärbündnis 'a la carte' sein, das von der Laune des US-Präsidenten abhängt", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Brüssel. Ähnlich äußerte sich der polnische Ministerpräsident Donald Tusk. Die Bundesregierung verwies dagegen darauf, dass Deutschland das Nato-Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, bereits erfülle und sich deshalb gar nicht angesprochen fühle. Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas sprach von einem "Weckruf" an die Europäer, mehr Geld in die Rüstung zu stecken.

Der 77-jährige Trump, der im November bei den US-Präsidentschaftswahlen erneut antreten will, hatte auf einer Wahlkampfveranstaltung gesagt, dass er als Präsident Nato-Verbündete nicht vor einer möglichen russischen Invasion schützen würde, die nicht genug für ihre eigene Verteidigung ausgeben. Trump hatte europäischen Verbündeten bereits während seiner ersten Amtszeit mit dem Entzug des US-Schutzes gedroht.

Die Bundesregierung reagierte gelassen: "Wir sind dem Zwei-Prozent-Ziel verpflichtet und entschlossen, das weiter einzuhalten", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann mit Blick auf die Rüstungsausgaben. Auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte, dass Deutschland immer alle Nato-Anforderungen erfüllt habe. Die Nato-Länder hatte sich 2014 darauf verständigt, bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Die Bundesregierung wird dieses Ziel 2024 nach eigenen Angaben erreichen, auch dank des 100-Milliarden-Euro-Sonderkredits für die Bundeswehr. Finanzminister Christian Lindner hatte zudem versichert, dass dies auch über das Jahr 2028 hinaus so bleiben werde, wenn das Geld aus dem Sondertopf ausgegeben sein wird.

Scholz besuchte am Montag den Rheinmetall-Standort Unterlüß, wo eine neue Munitionsfabrik entstehen soll. "Wir müssen um die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt kämpfen", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf die Frage nach Trump. "Das schließt ausdrücklich auch den militärischen Komplex mit ein."

MAHNUNG AUS POLEN UND ESTLAND

"Es gibt keine Alternative zur EU, zur Nato, zur transatlantischen Zusammenarbeit", sagte Tusk vor einem Besuch in Paris. Europa müsse ein sicherer Kontinent werden und bereit sein, die eigenen Grenzen zu verteidigen. "Ich denke, was der amerikanische Präsidentschaftskandidat gesagt hat, ist auch etwas, um vielleicht einige der Verbündeten aufzuwecken, die nicht so viel getan haben", betonte die estnische Regierungschefin Kallas.

Auch der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, forderte die Europäer auf, mehr Geld für ihre Sicherheit auszugeben. Es sei schwer, Amerikanern zu erklären, warum sie viel mehr für Verteidigung ausgeben würden als die Europäer. Es sei legitim, wenn die USA erwarteten, dass ihre Verbündeten ihre Hausaufgaben machten. "Wir werden diese Handlungsfähigkeit ausbauen müssen, und wir werden uns selbst auch wehrhaft zueinandergesellen müssen, unabhängig davon, wie die Wahlen in den USA ausgehen", sagte Grünen-Co-Chef Omid Nouripour.

Allerdings appellierte Heusgen auch, Ruhe zu bewahren. Obwohl Trump den Europäern schon früher gedroht habe, habe es am Ende seiner Amtszeit mehr US-Soldaten in Europa gegeben als zu Beginn. Der Sieger der finnischen Präsidentschaftswahl, Alexander Stubb gab sich ebenfalls entspannt. "Der Wahlkampf in den USA unterscheidet sich sehr von dem in Finnland, und die Rhetorik ist wesentlich schärfer", sagte er. "Ich denke, in dieser Phase ist es am besten, ruhig zu bleiben und sich auf den Ausbau unserer Nato-Mitgliedschaft zu konzentrieren", sagte Stubb in Helsinki. Wie die Bundesregierung verwies er darauf, dass das neue Nato-Mitglied Finnland bereits mehr als zwei Prozent des BIP für Verteidigung ausgebe.

Trumps Äußerung hatte schon am Wochenende für Empörung gesorgt. Jede Andeutung, dass die Staaten der Allianz sich nicht gegenseitig verteidigen würden, untergrabe die Sicherheit aller Mitglieder, hatte Nato-Chef Jens Stoltenberg gewarnt.

(Mitarbeit von Andrew Gray, Essi Lehto, Holger Hansen, Christian Krämer; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Andreas Rinke und Alan Charlish