Paris (Reuters) - Inmitten der durch die Neuwahlen des Parlaments entstandenen politischen Blockade in Frankreich mehren sich die Rufe nach einer Haushaltskonsolidierung.

Nach dem Notenbankchef schlug am Montag nun auch der Rechnungshof (Cour des Comptes) Alarm. Für Frankreich sei es von entscheidender Bedeutung, sein Defizit zu senken. Die Lage sei besorgniserregend. Die angespannte Lage der öffentlichen Finanzen schränke den Spielraum für Investitionen ein und führe dazu, dass Frankreich im Falle eines neuen wirtschaftlichen Schocks "gefährlich exponiert" sei.

Gegen Frankreich und sechs weitere EU-Länder laufen Defizitverfahren, weil ihre Haushaltslöcher größer sind als von den EU-Regularien erlaubt. Im November sollen Fristen für die Reduzierung dieser Defizite gesetzt werden. Frankreich hatte im Jahr 2023 eine Haushaltslücke von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Defizitobergrenze der EU liegt bei drei Prozent des BIP. Auch bei der Staatsverschuldung reißt Paris die von Brüssel aufgelegte Latte deutlich: Sie belief sich im Jahr 2023 auf 110,6 Prozent des BIP. Die EU-Kommission erwartet, dass dieser Wert im laufenden Jahr auf 112,4 Prozent und im Jahr 2025 auf 113,8 Prozent steigen wird. Die von der EU gesetzte Obergrenze liegt bei 60 Prozent.

Die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron will die Defizitgrenze bis 2027 wieder einhalten. Die Aussichten auf eine Haushaltskonsolidierung wurden jedoch durch die Neuwahlen getrübt, die zu unübersichtlichen Verhältnissen im Parlament geführt haben, das am Donnerstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt.

Die Ratingagenturen Moody's und S&P Global haben vor negativen Auswirkungen der Pattsituation auf die französische Wirtschaft gewarnt, da keines der politischen Lager eine absolute Mehrheit errang und Koalitionsregierungen in dem Land weitgehend unerprobt sind. Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau hofft, dass die nach den Neuwahlen entstandene politische Blockade im Parlament bis September gelöst wird. "Ganz gleich, welche Entscheidung getroffen wird: Wir müssen das Defizit reduzieren", mahnte er jüngst im Hörfunk. Im September soll das neue Parlament über den Haushalt des Landes abstimmen.

(Bericht von Sudip Kar-Gupta, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)