Von William Boston

BERLIN (Dow Jones)--Europäische Verbraucher kaufen Elektroautos in einem schnelleren Tempo als je zuvor. Staatliche Subventionen und die erstmalige Verfügbarkeit von Modellen von beliebten Marken stützen die Verkäufe. Der Boom ist so stark, dass Europa im vergangenen Jahr China als weltweit größten Markt für Elektroautos überholt hat. Sein Anteil an den Neuverkäufen von Elektroautos verdoppelte sich fast auf 43 Prozent, während China und die USA Marktanteile verloren.

Aber Europas Aufschwung hängt stark von staatlichen Kaufanreizen ab, die die Staaten während der Pandemie gewährten. Analysten warnen, dass der Schwung verloren gehen könnte, sobald diese Unterstützung einmal zurückgefahren wird. Die meisten staatlichen Subventionen für Elektroautos sind in ihrem Umfang begrenzt und laufen Ende dieses Jahres aus.


   Ohne Subventionen E-Autos teurer als solche mit Verbrennungsmotor 

"Der Markt reagiert extrem empfindlich auf staatliche und betriebliche Rabatte", sagt Arndt Ellinghorst, Autoanalyst bei Bernstein Research. "Sobald die Subventionen wegfallen, werden die EV-Verkäufe um 30 bis 40 Prozent einbrechen, zumindest für ein oder zwei Quartale." Ohne die Subventionen sind E-Autos immer noch deutlich teurer als gleichwertige Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Das wird sich wahrscheinlich erst später in diesem Jahrzehnt ändern, wie Analysten meinen. Dann dürften die Batteriepreise wegen neuer Technologien, größerer Stückzahlen und mehr Wettbewerb nachgeben.

Europas Weg in die E-Mobilität begann mit mehr Peitsche als Zuckerbrot. Vor allem die Europäische Union hat die Emissionsanforderungen stetig verschärft und die Industrie dazu gebracht, mehr Elektroautos und Hybridfahrzeuge auf den Markt zu bringen oder saftige Geldstrafen zu zahlen. Als die Pandemie ausbrach, begannen die Regierungen, den wirtschaftlichen Schock abzufedern, und unterstützten gezielt die Industrien, die an vorderster Front im Kampf gegen den Klimawandel stehen. Ein großer Teil dieser Hilfe floss in Anreize für den Kauf von E-Fahrzeugen, was zu einem Anstieg der Nachfrage führte.


   Volvo setzt auf E-Mobilität 

Dies brachte einen richtiggehenden Nachfrageschub. Dadurch änderte sich die Einschätzung der Industrieführer. Plötzlich spürten sie, dass es einen Markt gibt, der die enormen Investitionen in den Bau von Elektroautos rechtfertigt. "Wir haben einen Anreiz, diese Autos zu bauen... Es hilft, das Elektroauto für den Verbraucher sehr attraktiv zu machen", meint zum Beispiel Volvo-Chef Hakan Samuelsson, dessen Unternehmen zur chinesischen Zhejiang Geely gehört. Aber langfristig seien diese Anreize und Steuervergünstigungen nicht nachhaltig.

Die Autohersteller haben im vergangenen Jahr begonnen, neue Modelle auf den Markt zu bringen. So stellte Volkswagen, der größte europäische Autokonzern, seine Modelle ID.3 und ID.4 vor. Premium-Automobilhersteller wie BMW, Mercedes und Audi brachten High-End-Elektroautos auf den Markt. Mercedes wird in diesem Jahr den EQS auf den Markt bringen, der ein elektrischer und hochautomatisierter Nachfolger des Flaggschiffs der S-Klasse sein wird.


   Europa Vorreiter mit neuen E-Auto-Modellen 

Im vergangenen Jahr wurden in Europa rund 65 neue Elektroauto-Modelle eingeführt - doppelt so viele wie in China - und weitere 99 sollen in diesem Jahr auf den Markt kommen. Zum Vergleich: In Nordamerika präsentierten die Hersteller 15 neue E-Modelle und in diesem Jahr sind 64 geplant. Laut den Autobauern kamen die Anreize und die explosionsartige Zunahme an neuen E-Fahrzeugmodellen zum richtigen Zeitpunkt und regten so Angebot als auch Nachfrage immens an.

"Man muss das richtige Produkt im Angebot haben...Das haben wir vergangenes Jahr in Europa gesehen", meint Britta Seeger, Vorstandsmitglied von Daimler. "Das Angebot ist besser, und die Subventionen unterstützen den Verkauf." Auch die Verfügbarkeit von Elektroautos mit bekannten Markennamen treibt den Verkauf an. Derweil schossen die Verkäufe von Plug-in-Elektrofahrzeugen in Europa im vergangenen Jahr um 137 Prozent auf 1,4 Millionen Fahrzeuge in die Höhe und übertrafen damit China, das nur auf ein Plus von 12 Prozent auf 1,3 Millionen Fahrzeuge kam. Zugleich legten die Verkäufe in den USA um 4 Prozent auf 328.000 Autos zu, so Ev-volumes.com, eine Marktforschungsgruppe.


   Peking kappte Kaufanreize 

Die Verfassung des europäischen Marktes erinnert an Chinas Entwicklung der Elektrofahrzeuge vor Jahren. Entschlossen, die westlichen Märkte zu überholen, stellte Peking hohe Subventionen für den Kauf zur Verfügung und verlangte von den Herstellern, dass ein bestimmter Prozentsatz der jährlich produzierten Neuwagen elektrisch ist.

Die Bemühungen halfen dabei, Hunderte von Start-ups zu gründen und den Anteil der Elektroautos bis Mitte 2019 auf mehr als 8 Prozent der Neuwagenverkäufe zu steigern. Dann kürzte Peking im Juni 2019 plötzlich die Anreize und die Verkäufe brachen ein, wobei der Anteil der E-Autos bis Ende des Jahres auf unter 5 Prozent herabtaumelte. Als die Pandemie ausbrach, ging der Absatz von E-Fahrzeugen in China weiter in die Knie, was Zweifel daran aufkommen lässt, ob Peking sein Ziel erreichen kann, den Anteil von E-Fahrzeugen an den Neuwagenverkäufen bis 2025 auf 20 Prozent zu steigern.


   Märkte sollen sich an Subventionen nicht gewöhnen 

Peking setzte die Subventionen für Elektroautos Anfang vergangenen Jahres wieder ein, kürzte sie jedoch im Januar wieder, damit die Märkte sich nicht an sie gewöhnen. In Europa überdenken die nationalen Regierungen ihre Pläne, die Subventionen für Elektroautos zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen. Analysten vermuten, dass Regierungen in Ländern, die viele Autos produzieren, wie Deutschland und Frankreich, die Unterstützung über dieses Jahr hinaus verlängern könnten.

Während die meisten Branchenführer die Bemühungen der Regierungen zum Durchstarten mit der E-Mobilität begrüßen, sorgen sich die Hersteller gerade darum, dass Subventionen nur einen Kurzzeiteffekt haben. Ohne größeren strukturellen Wandel entstünde kein sich selbst erhaltender Markt. Die Branche fordert die Staaten auf, endlich mehr in die Entwicklung von Infrastruktur zu investieren, etwa mit Auflade-Stationen, Unterstützungen für den Bau von Batteriefabriken und der Besteuerung von Kohlendioxid-Emissionen.

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March 01, 2021 03:31 ET (08:31 GMT)