Bern (awp/sda) - Niederschläge und starke Gewitter haben die Bäche und Flüsse steigen lassen. Das führte in gewissen Regionen zu grossen Schäden. So wurden im Misox GR mehrere Personen unter Schlamm und Geröll verschüttet, die Verbindung nach Zermatt VS ist unterbrochen und der Pegel des Bodensees erreichte die Gefahrenstufe vier. Weitere Hangrutsche werden befürchtet.

Im Bündner Südtal Misox führten am Freitagabend mehrere Bäche derart viel Wasser, dass sie über die Ufer traten und verschiedene Dörfer mit Geröll, Holz und weiterem Material fluteten, wie die Bündner Kantonspolizei am Samstag mitteilte. In der Ortschaft Sorte seien durch die Wassermassen drei Häuser und drei Fahrzeuge mitgerissen worden.

Vier Personen seien verschüttet worden. "Es ist gelungen, mindestens ein Leben zu retten", sagte am Samstagmorgen der Kommandant der Bündner Kantonspolizei für die Region Misox, William Kloter, an einer Medienkonferenz in Roveredo GR, die vom italienischsprachigen Schweizer Fernsehen RSI übertragen wurde. Eine Frau sei verletzt geborgen und nach Lugano TI in ein Spital gebracht worden.

Laut Communiqué wurden die drei weiteren Personen am Samstagabend weiterhin vermisst. Diese Personen hätten sich möglicherweise zum Zeitpunkt des Gewitters in ihren Häusern befunden und wären durch die Fluten mitgerissen worden.

Am Samstag suchten die Einsatzkräften mit Helikoptern und Drohnen nach den Vermissten, sagte Kloter. Auch die Rettungshundeorganisation Redog sei mit fünf Hundeteams und einem Equipenleiter im Einsatz gewesen, schrieb die Organisation auf X.

Fachleute von Bund und Kanton hätten das Misox per Helikopter überflogen, um Bilder der von Hochwasser und Rutschungen stark betroffenen Region zu machen, schrieb das Bundesamt für Umwelt auf X. Die Bilder dienten dem Kanton Graubünden zur Einschätzung der Lage und dem weiteren Vorgehen.

Strom, Wasser und Verkehr unterbrochen

Fünf Dörfer des Bündner Tals hatten am Samstag keinen Strom mehr. In den betroffen Ortschaften war teilweise auch die Wasserverorgung unterbrochen. Die Nationalstrasse A13 zwischen Roveredo GR und dem San-Bernardino-Pass wurde in Mitleidenschaft gezogen und musste am Freitagabend gesperrt werden.

In Lostallo sei die Strasse über rund 200 Meter eingestürzt, sagte Lorenzo Quolantoni, Sprecher des Bundesamts für Strassen (Astra), auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Falls es die Umstände zulassen, werde am Montag mit den Reparaturarbeiten begonnen. Über die Dauer der Sperrung könne keine genauere Angaben gemacht werden.

Auch die Kantonsstrasse im Tal war gesperrt, wie ein Sprecher der Bündner Kantonspolizei sagte. Lediglich die Einsatzkräfte könnten aus dem Süden über die Strasse in die betroffenen Dörfer gelangen. Auf dieser lägen teilweise Felsbrocken von fünf bis zehn Meter Grösse.

Wallis hält Alarmstufe aufrecht

Die Wasserpegel der Rhone und der seitlichen Wasserläufe im Wallis sind gesunken. Aber eine "erhöhte Wachsamkeit ist notwendig", teilte das Walliser kantonale Führungsorgan (KFO) am frühen Samstagabend mit. Die Alarmstufe sowie die besondere Lage werden aufrecht erhalten.

Die Lage an der Rhone beruhigte sich, wie Antoine Jacquod, stellvertretender Chef der Dienststelle für zivile Sicherheit, auf Anfrage von Keystone-SDA sagte. "Was uns sehr, sehr grosse Sorgen bereitet, sind die Seitentäler, insbesondere das Matter-, Anniviers- und Hérens-Tal, wo der Boden sehr destabilisiert ist."

In diesen Gebieten kam es zu mehreren Überschwemmungen und Murgängen entlang der Seitenflüsse, die nur "sehr langsam" zurückgingen. Das KFO befürchte dort Erdrutsche. Wie es weitergehe, hänge von der Stärke der Gewitter am Samstag ab, fügte Jacquod hinzu.

Die meisten der 230 Personen, die am Freitag hauptsächlich aus Chippis evakuiert werden mussten, konnten wieder nach Hause zurückkehren. Gemäss Jacquod mussten derzeit im ganzen Kanton 59 Personen ihr Zuhause verlassen.

Zermatt ab 20 Uhr wieder erreichbar

Die Bahnstrecke sowie die Strasse von und nach Zermatt VS waren seit Freitag wegen Hochwassergefahr geschlossen. Die Betreiberin der Bahnstrecke kommunizierte auf X, dass ab 19.55 Uhr auf der Strecke Täsch bis Zermatt wieder Züge gemäss Fahrplan verkehren würden. Dies gelte aber nicht für die durchgehende Strecke zwischen Visp und Täsch unterhalb von Zermatt.

Der Zugverkehr dort bleibt bis mindestens Ende kommender Woche eingestellt. Das Hochwasser in der Vispa habe die Strecke an mehreren Stellen "massiv" in Mitleidenschaft gezogen, so dass grössere Instandsetzungsarbeiten erforderlich seien. Um nach Täsch zu gelangen, würden Bahnersatzbusse verkehren.

Zweithöchste Gefahrenstufe am Bodensee

Die Pegelstände des Bodensees überschritten am Samstag die Schwelle zur Hochwassergefahrenstufe vier von insgesamt fünf. Der Wasserstand stieg gemäss Daten des Bundesamts für Umwelt (Bafu) seit Mitternacht und bis Samstag 18.00 Uhr um rund zehn Zentimeter.

Auch für den Untersee, dem westlichen Teil des Bodensees, galt die Hochwassergefahrenstufe vier. Diese Stufe bedeutet "grosse Gefahr" hinsichtlich Hochwasser.

Der See steige alle 2,5 Stunden um etwa einem Zentimeter, sagte ein Vertreter des regionalen Führungsstabs Kreuzlingen auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. An gewissen Stellen habe es nicht mehr viel Reserve.

Bereits vergangene Woche erreichte der Wasserpegel in dem Ostschweizer See die Gefahrenstufe vier. Deshalb müssten aktuell keine spezielle Massnahmen getroffen werden, weil die mobilen Deichsysteme von letzter Woche nicht abgebaut wurden, sagte der Vertreter des Führungsstabs weiter.

Gefahr von Rutschungen bleibt gross

Aufgrund der Wetterbedingung und des Niederschlages der letzten Wochen seien die Böden vielerorts stark gesättigt, sagte Michèle Oberhänsli, Hydrologin beim Bundesamt für Umwelt (Bafu), zu Keystone-SDA auf Anfrage. Bei weiteren Starkniederschlägen könne dies lokal zu Rutschungen führen.

In den nächsten Tagen sei die Wetterlage wechselhaft: Es werde abwechselnd regnen, sonnig sein und bewölkte Phasen geben, erklärte die Hydrologin.