Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hätte aus Sicht der ING-Analysten Carsten Brzeski und Antoine Bouvet Anlass, über ein verändertes Vorgehen beim Ausstieg aus ihrer ultra-lockeren Geldpolitik nachzudenken. "Bislang hat die EZB immer betont, dass eine klare Reihenfolge eingehalten werden müsse: Erst die Asset-Käufe beenden und dann die Zinsen anheben", schreiben sie in einem Kommentar. Ihre eigenen Berechnungen legen aber nahe, dass es Argumente für ein umgekehrtes Vorgehen gibt.

"Wir haben herausgefunden, dass sich das Anleiheportfolio der EZB im Vergleich zu Änderungen der Leitzinsen am stärksten auf festverzinsliche Wertpapiere mit höherem Beta auswirkt", heißt es in der Studie. So wirke sich beispielsweise eine Verringerung des EZB-Portfolios um 187 Milliarden Euro für die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen genauso stark aus wie eine Zinsanhebung um 25 Basispunkte.

Am anderen Ende des Spektrums haben die Analysten festgestellt, dass deutsche Staatsanleihen eine Anhebung des Einlagensatzes um 25 Basispunkte wesentlich stärker beeinflussen würde - "so sehr, dass eine quantitative Straffung im Vergleich dazu weitgehend irrelevant wäre", wie Brzeski und Bouvet schreiben.

Eine quantitativen Straffung würde also die am stärksten gefährdeten Kreditnehmer am deutlichsten beeinflussen. "Aus diesem Grund ist die oben beschriebene Abfolge sinnvoll", schreiben sie. "Man könnte sogar argumentieren, dass die Fortsetzung der Asset-Käufe bei gleichzeitiger Anhebung der Leitzinsen das Risiko verringern würde, dass die Märkte ins Schleudern geraten."

Allerdings müssten bei einem solchen Vorgehen die breiteren Auswirkungen der Asset-Käufe für die Finanzstabilität und die Vermögensverteilung berücksichtigt werden.

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January 26, 2022 10:23 ET (15:23 GMT)