Von Andreas Kißler

HALLE/BERLIN (Dow Jones)--Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat eine Lockerung der Schuldenbremse angeregt, um wirtschaftliche Schäden aus einer sonst nötigen Konsolidierung zu verhindern. Nach der Mittelfristprojektion des IWH werde das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland zwischen den Jahren 2020 und 2025 langsamer wachsen als zuvor - "nicht nur aufgrund der Pandemie-Krise, sondern auch, weil die Erwerbsbevölkerung zurückgehen wird", erklärte das Institut.

Die im Fall unveränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen resultierenden strukturellen öffentlichen Defizite dürften höher sein als es die Schuldenbremse erlaube. Das Institut warnte, die Konsolidierung würde, vor allem wenn sie durch Steuererhöhungen erfolge, kurzfristig mit spürbaren wirtschaftlichen Einbußen einhergehen. "Es spricht viel dafür, die Schuldenbremse zwar nicht abzuschaffen, aber ein Stück weit zu lockern", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller.

Nach der Mittelfristprojektion werde das BIP in den Jahren bis 2025 preisbereinigt um durchschnittlich ein halbes Prozent wachsen, und damit um einen Prozentpunkt langsamer als im Zeitraum von 2013 bis 2019. "Dies ist vor allem auf den starken Einbruch im Jahr 2020 zurückzuführen, aber auch darauf, dass die Erwerbsbevölkerung spürbar zurückgehen wird", erklärte das IWH. Das nominale BIP werde wohl um durchschnittlich rund 2,5 Prozent zunehmen.

Im Jahr 2021 dürfte das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit aufgrund der Pandemie 4,3 Prozent des BIP ausmachen. In den Folgejahren führen die langsamer expandierenden Staatseinnahmen zusammen mit den schon vor der Corona-Pandemie angelegten Ausweitungen der Sozialausgaben nach den Berechnungen der Ökonomen zu strukturellen Defiziten im Staatshaushalt von etwa 2 Prozent.

Solle das strukturelle Defizit bis 2025 wieder auf den in den Fiskalregeln vorgegebenen Referenzwert zurückgeführt werden, seien Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich. Mit Hilfe eines finanzpolitischen Simulationsmodells des IWH könne gezeigt werden, dass eine solche Konsolidierung kurzfristig mit spürbaren wirtschaftlichen Einbußen einhergehe. Verschiedene Argumente sprächen dafür, die Schuldenbremse ein Stück weit zu lockern. Denn auch zukünftige Generationen könnten von einer Ausweitung der öffentlichen Verschuldung profitieren, erklärte das IWH.

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January 25, 2021 08:52 ET (13:52 GMT)