Neuenburg (awp) - Die Inflation in der Schweiz ist im August weiter angestiegen. Damit ist die Jahresteuerung so hoch wie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr. Die SNB dürfte laut Experten daher bald weiter an der Zinsschraube drehen.

Der weitere Anstieg auf 3,5 Prozent fiel allerdings moderat aus, nachdem die Konsumentenpreise im Juni und Juli im Vergleich zum Vorjahr bereits um 3,4 Prozent gestiegen waren.

Die Inflation erreichte im August damit gleichwohl das obere Ende der Erwartungen von Ökonomen. Diese hatten mit einer Jahresteuerung von 3,3 bis 3,5 Prozent gerechnet.

Teurer sind weiterhin vor allem die Importgüter, die im Berichtsmonat 8,6 Prozent mehr kosteten als vor Jahresfrist - nach +8,4 Prozent im Juli und +8,5% im Juni. Bei den Inlandgütern betrug die Jahresteuerung wie im Vormonat weiterhin lediglich 1,8 Prozent.

Energiepreise sind explodiert

Weiterhin bestimmen die massiv gestiegenen Energiepreise die Inflation. So haben die Kosten für Heizöl (+86%) und Gas (+58%) auf Jahressicht nochmals zugenommen. Holzpellets sind für ganze 65 Prozent mehr zu haben. Aber auch Benzin (+26%) und Diesel (+32%) bleiben vergleichsweise extrem teuer.

Eine Besonderheit in der Schweiz ist, dass die Strompreise für Haushalte reguliert sind und nur einmal im Jahr - jeweils zum Jahreswechsel - erhöht werden können. Bis Ende August mussten die rund 630 Stromversorger die Branchenaufsicht und die Kunden über die neuen Tarife informieren.

Nach ersten Schätzungen dürften die Strompreise zum Jahreswechsel im Durchschnitt wohl um mehr als 30 Prozent zulegen, kommentiert Alexander Koch von Raiffeisen gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Dies werde die Inflationsrate verzögert im kommenden Jahr noch belasten und steht auch einem stärkeren Rückgang im kommenden Jahr entgegen. In der Eurozone hätten die wegen der Gaspreisexplosion genauso explodierten Grosshandelsstrompreise die Tarife der Endkonsumenten bis zur Jahresmitte bereits um mehr als 50 Prozent nach oben schiessen lassen.

Wirtschaft wird ausgebremst

Entscheidend ist für die Inflation gleichzeitig aber auch, wie stark sich die Konjunktur abschwächt. Alessandro Bee von der UBS rechnet in den nächsten Quartalen mit einer deutlichen Abschwächung, was dann auch den Inflationstrend abbremsen dürfte.

Ein Thema sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Zweitrundeneffekte - also Preis- und Lohnsteigerungen zum Ausgleich der höheren Energiepreise. Stark gestiegen sind im August unter anderem die Preise im Luftverkehr und zwar um 46 Prozent im Vergleich zu vor einem Jahr. In den Schweizer Läden zahlt man auch deutlich mehr für Melonen und Trauben (+19%), Kaffee (+9,9%), Beeren (+9,6%), frischen Fisch (+9,4%) und Butter (+9,8%). Damenschuhe kosten 10 Prozent mehr.

Wenn man allerdings die Entwicklung frischer und saisonaler Produkte sowie Energie und Treibstoffe aus der Rechnung nimmt, sieht die Entwicklung weniger dramatisch aus. Die sogenannte Kerninflation lag im August bei 2,0 Prozent und damit noch immer im von der SNB definierten Bereich von Preisstabilität zwischen 0 und 2 Prozent.

Schweiz ein Sonderfall

Im internationalen Vergleich liegt die Inflation in der Schweiz trotz des weiteren Anstiegs also weiterhin auf verhältnismässig tiefem Niveau. Die Teuerung in der Eurozone etwa war im August mit 9,1 Prozent so hoch wie nie seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. In den USA lag die Inflationsrate im Juli bei 8,5 Prozent, nachdem sie im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren erreicht hatte.

Das ohnehin hohe Schweizer Preisniveau, der hohe Dienstleistungsanteil und der starke Franken würden helfen, die Preissteigerungen viel geringer zu halten als in den Nachbarländern, sagt Ökonom Koch von Raiffeisen.

Dennoch ist die Inflation mit 3,5 Prozent auf einem für die Schweiz hohen Niveau. Zum Vergleich: Ende 2021 lag die Inflation bei 1,5 Prozent, vor einem Jahr erst bei 0,9 Prozent. Und vor knapp eineinhalb Jahren - im März 2021 - war sie sogar leicht negativ. Das heisst Herr und Frau Schweizer mussten damals für einen bestimmten Warenkorb 0,2 Prozent weniger bezahlen als ein Jahr zuvor.

Grosser Zinsschritt erwartet

Die anziehende Teuerung hat bereits die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf den Plan gerufen. Überraschend deutlich hob sie Mitte Juni ihren Leitzins um 0,50 Prozentpunkte auf -0,25 Prozent an. Damit zog sie erstmals seit fünfzehn Jahren die Zinsschraube wieder etwas an.

Das allgemeine Umfeld lasse zunehmend darauf schliessen, dass die Notenbank den Leitzins im September deutlich anheben wird, sagt Maxime Botteron von der CS. Neben der Inflationsrate habe sich der Franken zum Euro leicht abgeschwächt, und die Finanzmärkte würden zunehmend erwarten, dass sowohl die EZB als auch die SNB den Leitzins im September um 0,75 Prozentpunkte erhöhen werden. Vorerst halte man aber noch an der Prognose von +0,5 Prozentpunkte fest.

ys/rw