Frankfurt (Reuters) - In Frankfurt hat ein weiterer Prozess gegen einen Syrer wegen Folter-Vorwürfen im syrischen Bürgerkrieg begonnen.

Dem 36-jährigen Alaa M., der 2015 als Migrant nach Deutschland kam und in Hessen als Orthopäde tätig war, werden Mord, Folter und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Es ist der zweite Prozess dieser Art in Deutschland. Das Koblenzer Oberlandesgericht hatte vor wenigen Tagen einen Mitarbeiter eines syrischen Gefängnisses unter anderem wegen 27-fachen Mordes, Folter und Misshandlungen zu lebenslanger Haft verurteilt. Alaa M. wollte sich am Mittwoch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht äußern.

Wie der Prozess in Koblenz wird die Verhandlung gegen Alaa M. nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip geführt. Dieses ermöglicht es, bei besonders schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Völkermord oder Kriegsverbrechen Urteile zu fällen, wenn die Taten in anderen Ländern von Menschen mit anderer Staatsangehörigkeit begangen wurden.

"Das Verfahren ist ein ganz wichtiger weiterer Schritt in der Aufarbeitung der syrischen Verbrechen", sagte Antoina Klein von der Menschenrechtsorganisation ECCHR. Der Prozess sei ein "starkes Signal" bei der Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, erklärte Oberstaatsanwältin Anna Zabeck.

"GEZIELTE MISSHANDLUNG VON ASSAD-GEGNERN"

Die Staatsanwälte werfen Alaa M. vor, 2011 und 2012 während seiner Tätigkeit als Assistenzarzt in Militärkrankenhäusern in Homs und Damaskus 18 Gefangene gefoltert und den Opfern schwere körperliche und seelische Schäden zugefügt zu haben. Er soll etwa Alkohol auf die Genitalien von Männern geschüttet und sie mit Feuer angezündet haben. Einen weiteren Gefangenen soll er mit einer Gift-Spritze getötet haben, nachdem sich dieser gegen Tritte gewehrt habe.

"Die Gefangenen waren Zivilisten, die gegen das Assad-Regime waren, und der Vorwurf lautet, dass er es gezielt auf diese Menschen abgesehen hat, um sie zu unterdrücken", sagte eine Gerichtssprecherin. Einer der Anwälte des Angeklagten, Ulrich Enders, wies dies zurück. "Wir werden widerlegen, was wir heute in der Anklageschrift gehört haben." Insgesamt sind 14 Verhandlungstage angesetzt.

Alaa M. äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. In flüssigem Deutsch berichtete er über seinen persönlichen und beruflichen Werdegang. Bereits 2009 habe er den Entschluss gefasst, nach Deutschland auszuwandern und mit Deutschunterricht begonnen. Im März 2015 habe er sein Visum erhalten, kurz darauf seine Zulassung als Arzt in Deutschland. Zwei Patienten erkannten in ihm einen früheren Folterer in Homs und machten ihre Vorwürfe publik. Im Juni 2020 wurde der zweifache Familienvater verhaftet. Seither sitzt er in Untersuchungshaft in Frankfurt.

(Reporterin: Patricia Uhlig, mit Material von Reuters TV, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter 030 2201 33711)