BERLIN (Dow Jones)--Wegen der Corona-Krise notleidende Unternehmen können offenbar darauf hoffen, noch länger um einen Insolvenzantrag herumzukommen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für jene Firmen über den Januar hinaus verlängern, bei denen die Auszahlung der seit November vorgesehenen staatlichen Hilfen noch aussteht. "Der Staat stellt der Wirtschaft umfangreiche finanzielle Hilfen zur Verfügung, deren Auszahlung aber Zeit benötigt", sagte Lambrecht dem Handelsblatt. "Daher setze ich mich dafür ein, die Insolvenzantragspflicht für diese Unternehmen über den 31. Januar hinaus auszusetzen."

Bereits im Frühjahr 2020 hatte die Bundesregierung die strengen Meldepflichten für Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit coronabedingt außer Kraft gesetzt. Für Zahlungsunfähigkeit gilt die Antragspflicht seit Oktober wieder. Für Firmen, die noch auf die Auszahlung der seit dem 1. November vorgesehenen Corona-Hilfen warten, wurde die Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrags weiter ausgesetzt. Der Bundestag hatte die Regel nochmals kurz vor Weihnachten um einen Monat bis Ende Januar ausgedehnt.

Eingriffe in das Insolvenzrecht müssten auf das Nötigste beschränkt werden, betonte Lambrecht. Eine rechtzeitige Insolvenzanmeldung sei wichtig, um das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit der Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten. Aber durch die Folgen der anhaltenden Corona-Pandemie gerieten auch Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, die tragfähige Geschäftsmodelle hätten und vor der Pandemie erfolgreich gewesen seien. "Von solchen Unternehmen können wir in der Regel annehmen, dass sie nach dem Abklingen der Krise auch wieder profitabel operieren können", sagte die Ministerin. "Wir sollten diesen Unternehmen die nötige Zeit geben, um wieder finanziell auf die Beine zu kommen."


   Ifo-Institut und Handel unterstützen den Vorschlag, DIW skeptisch 

Den Vorstoß Lambrechts unterstützten sowohl der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, als auch der Handelsverband HDE. "Gerade mit Blick auf die beim Handel nach wie vor nicht ankommenden Hilfen des Bundesfinanzministers ist das eine sinnvolle Maßnahme, um zumindest etwas Druck von den Handelsunternehmen zu nehmen, die in der Pandemie unverschuldet in Not sind", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem Handelsblatt.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält die Maßnahme dagegen für wenig zielführend. Beim Insolvenzschutz gehe es nicht nur um den Schutz der Gläubiger, sondern auch um den Schutz der gefährdeten Unternehmen, betonte er im Handelsblatt. "Daher spricht viel dafür, die Antragspflicht für Unternehmensinsolvenzen nun greifen zu lassen, auch um gefährdeten Unternehmen besser helfen zu können."

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January 07, 2021 11:37 ET (16:37 GMT)