Berlin (Reuters) - Die Länder fordern von der Bundesregierung, konkrete Modelle für Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union zu entwickeln.

Es gebe bei den Ländern "die klare Erwartung", dass es bei dem Thema Fortschritte gebe, sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein nach Beratungen der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstagabend in Berlin. "Wir werden jetzt nicht bei Gutachten stehen bleiben", sagte Rhein, der der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) der Länder derzeit vorsteht.

Rhein bezog sich auf ein Gutachten im Auftrag des Bundesinnenministeriums, in dem die Machbarkeit von Asylverfahren in Drittstaaten geprüft werden sollte. Ein Expertengremium kam dabei zu dem Schluss, dass solche Verfahren mit hohen rechtlichen Hürden verbunden sind. Entsprechende Modelle zur Begrenzung irregulärer Migration seien grundsätzlich zwar nicht ausgeschlossen, heißt es in dem Gutachten. Viele Sachverständige hätten sich aber aus rechtlichen und Umsetzungsgründen skeptisch bis ablehnend geäußert.

Scholz sagte nach den Beratungen am Abend, man habe den Bericht zur Kenntnis genommen. "Es ist fest vereinbart, dass wir den Prozess fortführen." Rhein sagte mit Blick auf die Ergebnisse der Europawahl am 09. Juni: "Die Ergebnisse der Wahl sind alarmierend." Er gehe davon aus, dass die Zahlen bei der irregulären Migration wieder steigen würden. Daher sei es geboten zu handeln. Nationale und EU-Regelungen, die Asylverfahren in Drittländer entgegenstünden, müssten überprüft werden, forderte der CDU-Politiker im Namen aller 16 Bundesländer.

Den Beschluss der Länder, solche Verfahren zu entwickeln, nannte Rhein einen "Meilenstein". Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dämpfte allerdings die Erwartungen. In dem Gutachten seien "ein ganzer Sack voll Probleme" aufgelistet, die solche Verfahren mitsichbrächten und einem solchen Vorgehen entgegenstünden.

KONSENS BEI ABSCHIEBUNGEN NACH AFGHANISTAN UND SYRIEN

Bei den Beratungen der 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Scholz stand die irreguläre Migration im Zentrum. In dem Gutachten geprüft wurde das sogenannte Ruanda-Modell, bei dem das gesamte Asylverfahren in einem Drittstaat durchgeführt wird, sowie das Italien-Albanien-Modell, bei dem EU-Beamte die Verfahren in einem Drittstaat begleiten. Drittes Modell ist das sogenannte Hinweg-Verfahren, bei dem Migranten auch in deutschen Botschaften vor Ort Asylanträge stellen können.

Weiteres Thema der Runde war die Frage, ob in Deutschland straffällig gewordene Ausländer auch in Staaten wie Afghanistan oder Syrien abgeschoben werden sollen. Scholz hat sich für ein solches Vorgehen ausgesprochen, was er am Donnerstagabend noch einmal bekräftigte. Rhein sagte, die Länder begrüßten diese Position. Zweifel bestehen bei Experten allerdings darüber, ob die Bundesregierung dazu etwa mit den in Afghanistan regierenden radikal-islamischen Taliban verhandeln soll. Nach Medienberichten berät die Bundesregierung derzeit mit anderen Ländern wie Usbekistan, afghanische Straftäter über diese Route abzuschieben. Aber auch in dieser Frage gibt es erhebliche rechtliche Bedenken.

(Bericht von Alexander Ratz; Redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)