Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hat für 2023 ein Wachstumspaket gefordert und für die Zukunft auch auf Steuersenkungen für die Wirtschaft gedrungen. "Nach der Zäsur in der Außen- und Verteidigungspolitik muss in diesem Jahr die Zäsur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik kommen", verlangte Lindner beim Dreikönigstreffen seiner Partei in Stuttgart. "Der Erhalt der wirtschaftlichen Substanz muss weiter oberste Priorität haben." Neben Hilfen für Bedürftige seien auch Entlastungen für die Mitte nötig.

Lindner hob hervor, die Rezession scheine "weniger scharf zu werden als befürchtet, aber wir kommen auch weniger dynamisch aus dieser Situation heraus". Die Prognosen für das weitere Wachstum seien "beklagenswerter Weise eher ernüchternd". Diesem schleichenden Verlust gesellschaftlichen Wohlstands müsse man entgegentreten. Während in Frankreich über Steuerentlastungen gesprochen werde, würden in Deutschland aber Erhöhungen gefordert. "Ein Land, das im Standortwettbewerb wieder in die Offensive finden will, erhöht nicht die Steuerlast - ein solches Land reduziert die Steuerlast", betonte er.

Hierüber sei sich die Koalition allerdings uneinig, räumte Lindner ein. Vieles spreche dafür, "dass wir in den nächsten Jahren auch über die effektive Gesamtbelastung sprechen müssen", erklärte der Finanzminister aber. "Das bleibt ein Dissens, aber irgendjemand muss die Debatte eröffnen." Neben steuerpolitischen Maßnahmen wie verbesserten Abschreibungsbedingungen nannte er für ein Wachstumspaket unter anderem Bereiche wie Bildung, Forschung, Fachkräfteeinwanderung und Technologieoffenheit. "Deutschland braucht ein Technologiefreiheitsgesetz, damit all das, was möglich ist, auch bei uns entwickelt werden kann", so Lindner.


Wirtschaftliche Stärke in der Krise nutzen 

Ausdrücklich verteidigte der Finanzminister die Hilfspakete der Regierung, auch wenn ihm die Größenordnung der Schuldenaufnahme für den Rettungsschirm über 200 Milliarden Euro "nicht geheuer" sei. "Wir müssen unsere wirtschaftliche Stärke nutzen, damit wir nicht in Krisenjahren die Betriebe, die Strukturen und die Existenzen verlieren, die unser Land für die gemeinsame Zukunft braucht." Lindner sprach sich zudem für eine jährliche "zusätzliche Bildungsmilliarde" aus. "Gerade als Wissensnation muss unser Anspruch sein, dass die nächste Generation immer mehr kann, immer mehr weiß als die letzte Generation."

Außerdem machte sich der FDP-Vorsitzende für mehr Freihandel stark. Das Ceta-Abkommen mit Kanada solle "der Beginn einer Initiative für mehr freien Handel" sein. "Unsere Vision ist die Weltfreihandelszone der liberalen Demokratien." Mit Blick auf das US-Inflationsreduzierungsgesetz warnte er vor einem "Handelskrieg" über den Atlantik, dessen einziger Gewinner China wäre. Nötig sei vielmehr Handelsdiplomatie. Zum Ukraine-Krieg betonte Lindner, dort würden "auch unsere Werte verteidigt". Die Entscheidung zur Lieferung von Marder-Kampfpanzern sei richtig. Lindner mahnte aber, "solche Entscheidungen künftig im Kreis der Verbündeten schneller herbeizuführen".

Die Landes- und Bündnisverteidigung dürfe niemals so vernachlässigt werden wie in den vergangenen Jahren, verlangte er. Der beschlossene Sonderfonds für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro sei dabei "keine Stärkung unserer Fähigkeiten auf Dauer". Vielmehr werde man den Verteidigungsetat an die Erfordernisse der veränderten Sicherheitslage anpassen müssen. In seiner Rede ging der FDP-Vorsitzende in diesem und in anderem Kontext scharf mit der CDU-geführten Vorgängerregierung ins Gericht. "Niemand sollte sich übrigens der Illusion hingeben, dass mit der Union zu regieren einfacher wäre", sagte Lindner. "Das wäre nur anders."

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January 06, 2023 08:37 ET (13:37 GMT)