BERLIN (dpa-AFX) - Ein neues staatliches Siegel soll Supermarktkunden zum Kauf von Fleisch aus besserer Tierhaltung animieren - die Einführung dauert aber noch. Es gehe nicht um ein "Nischen-Luxus-Label", sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) am Donnerstag vor Beginn der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin. Er gehe davon aus, dass die neue Kennzeichnung "im nächsten, übernächsten Jahr" in den Ladentheken sein könne. Sein Ziel sei, bis Ostern Klarheit über die Grundstrukturen zu schaffen. Bauern und die Verbraucherzentralen unterstützen die Pläne, Kritikern reichen sie bei weitem nicht aus.

Mit dem Label soll Fleisch von Tieren gekennzeichnet werden können, deren Haltungsbedingungen über dem gesetzlichen Standard liegen - etwa beim Platz im Stall, Stroh am Boden oder Spielmöglichkeiten. Starten soll das Siegel mit Schweinen und voraussichtlich mit zwei Stufen. Dabei sollten Bauern für höheren Aufwand auch mehr Geld bekommen. "Tierwohl zum Nulltarif kann und wird es nicht geben", sagte Schmidt. Um das Label bekannt zu machen, will das Ministerium 70 Millionen Euro bereitstellen. Schmidt stellte auch eine Förderung beim Wandel zu Ställen mit besseren Haltungsbedingungen in Aussicht.

Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff kritisierte das Label als Schönfärberei. "Alle Tiere sollen bessere Lebensbedingungen haben - nicht nur einige wenige." SPD-Fraktionsvize Ute Voigt sagte: "Die Existenz eines freiwilligen Tierschutzlabels darf kein Alibi für die zu niedrigen gesetzlichen Tierschutzstandards in unserem Land sein."

Mehr Tierschutz ist eines der großen Themen auf der Grünen Woche, die am Donnerstagabend in Berlin eröffnet werden sollte. Von Freitag an werden mehr als 400 000 Besucher erwartet. Diesjähriges Partnerland ist Ungarn. Umwelt- und Tierschützer, Klein- und Biobauern verlangten in einem "Kritischen Agrarbericht" eine schnelle Abkehr von der Massentierhaltung. Diese gefährde mit ihrem Düngereinsatz das Trinkwasser und treibe Bodenpreise nach oben.

Der Tierschutzbund will die Diskussion um den Fleischkonsum nicht einschlafen lassen. "Fleisch ist zu billig", sagte Präsident Thomas Schröder. Auch Veganer und Vegetarier zahlten als Steuerzahler für Schäden, die eine intensive Tierhaltung etwa mit der Nitrat-Belastung des Grundwassers anrichte. Jeder Landwirt sollte nur so viele Tiere halten, wie er mit selbst erzeugtem Futter ernähren könne, sagte der Präsident der Umweltschutzorganisation BUND, Hubert Weiger.

Die Verbände des kritischen Agrarbündnisses warnten vor den Folgen steigender Preise für Ackerland. Mittlerweile müsse man ein Mehrfaches des Boden-Ertragswerts bezahlen. Bauern mit Vorkaufsrecht könnten sich das nicht mehr leisten. Stattdessen kämen ausländische Konzerne zum Zuge, kritisierte der Vorstandssprecher des Bio-Anbauverbands Demeter, Alexander Gerber. Die Agrarpolitik habe diese Entwicklung durch falsche Anreize begünstigt, zum Beispiel "durch eine unverhältnismäßig hohe Förderung von Biogas"./sam/brd/DP/stw