Börsen-Zeitung: Naiv, Kommentar zur Deutschen Bank von Bernd

Wittkowski

Frankfurt (ots) - Mit ihrem Rekordverlust im abgelaufenen Jahr hat

die Deutsche Bank die Investoren auf dem falschen Fuß erwischt.

Zeitweise lösten sich noch einmal fast 10% der ohnehin schon auf gut

24 Mrd. Euro marginalisierten Marktkapitalisierung in Wohlgefallen

auf. Auch wenn am Ende ein Minus von "nur noch" 3,4% blieb: Das ist

ein unzweideutiges Verdikt der Börse. Analysten begründeten es unter

anderem damit, dass die Erwartungen verfehlt worden seien.

Das mag sein, und wir wollen hier gar nicht dem Zynismus frönen,

dass es bei der Deutschen Bank auf 1 oder 2 Mrd. Euro mehr oder

weniger Miese auch nicht mehr ankomme. Ja, die Lage ist miserabel,

der im vergangenen Juli angetretene Co-Chef John Cryan und sein noch

bis zum 19. Mai amtierender Partner Jürgen Fitschen haben einen

Sanierungsfall zu managen. Der künftige Allein-CEO selbst macht

daraus übrigens zu Recht wenig Hehl - und zieht damit jetzt Kritik

von Leuten auf sich, die es wohl lieber sähen, wenn er die Lage

beschönigte oder zumindest im Ungefähren bliebe. Cryan rede die blaue

Bank herunter, ist von Belegschaftsseite zu hören, Aktionärsvertreter

vermissen Erfolgsmeldungen, und manche finden es offenbar witzig,

darüber zu spekulieren, wer eines womöglich nicht zu fernen Tages

Cryans Nachfolger werden könnte. Hallo?

Wenn mit den Ergebnissen des Schlussquartals und des Gesamtjahres

Erwartungen verfehlt wurden, könnte das eher daran liegen, dass die

Stakeholder eine allzu naive Sicht auf ihre Bank hatten. Dass erstens

aus 7000 Rechtsstreitigkeiten weiterer Rückstellungsbedarf

resultieren wird, durfte niemanden wirklich überraschen - 1,2 Mrd.

Euro im Quartal erscheinen sogar relativ überschaubar. Dass zweitens

der radikale Konzernumbau und der damit verbundene Stellenabbau einen

nicht unerheblichen Restrukturierungsaufwand auslösen werden, kam

auch nicht aus heiterem Himmel. Dass drittens das Marktumfeld und

unabhängig davon die tief in Geschäftsmodelle einschneidende

Regulierung namentlich im Investment Banking Erträge kosten, fiel

ebenso wenig unter das Bankgeheimnis.

Dass viertens ein neuer CEO - soweit zulässig und vor den

Wirtschaftsprüfern vertretbar - möglichst jede Belastung in die

Rechnungsperiode packt, in der er noch nicht allein und/oder nur

zeitanteilig verantwortlich zeichnete - je desolater die

Ausgangsbasis, desto beeindruckender der spätere Erfolg -, konnten

kundige Thebaner ebenfalls auf der Rechnung haben. Alles andere wäre

ein Wunder. Aber - fünftens - Wunder, das gilt auch für die Deutsche

Bank unter John Cryan, dauern etwas länger.

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