Und wieder schnappt die Falle zu, Kommentar zum Kampf um die
Impfstoffe von Stefan Reccius
Frankfurt (ots) - Es ist ein Déjà-vu der Kategorie Ablenkungsmanöver: Die
EU-Kommission zwingt Impfstoffhersteller, Ausfuhrbegehren über ein neues
Transparenzregister anzumelden. Was angesichts von Lieferengpässen samt
Schlagabtausch mit AstraZeneca sinnvoll klingt, ist tatsächlich nur einen kurzen
Griff vom schärfsten Schwert der Außenwirtschaftspolitik - Exportverboten -
entfernt. In diesem Reflex sind Spahn und Co. geübt: Anfangs untersagte Brüssel
den Export von Masken, Kitteln und Schutzbrillen, weil trotz Warnungen für den
Fall einer Pandemie Notvorräte fehlten. Im Kampf um knappe Impfstoffe schnappt
die Protektionismusfalle wieder zu.

Das Blame Game für den langsamen Impfstart ist in vollem Gange. Berlin und
Brüssel machen eine schlechte Figur. Alle säuseln von Solidarität
untereinander
und mit den Ärmsten der Welt, denen EU, USA und andere - das nur am Rande - eine
Milliarde Impfdosen für 2021 versprochen haben. Die Bundesregierung setzt
Maßstäbe in politischer Schizophrenie: Während Kanzlerin Angela Merkel "die
Stunde des Mul­tilateralismus" beschwört und vor "Abschottung" warnt, redet ihr
Gesundheitsminister einer "Pflicht zur Genehmigung von Impfstoffexporten auf
EU-Ebene" das Wort. London erhebt, nicht zu Unrecht, den Vorwurf des
Impfstoff-Nationalismus. Und ausgerechnet von Xi Jinping, dem Anführer jenes
Landes, das via Kampagne in Staatsmedien den Biontech-Pfizer-Impfstoff zu
diskreditieren zielt, muss die Welt sich belehren lassen, "die Zusammenarbeit
bei der Produktion und Verteilung von Impfstoffen zu verstärken". Ein groteskes
Schauspiel.

Ebenso bizarr: Offenbar streuen Beamte aus Spahns Behörde gegen die offizielle
Linie des Ministeriums nicht substanziierte Interna, wonach das britische Vakzin
bei Senioren angeblich so gut wie nicht wirke. AstraZeneca-Chef Pascal Soriot,
die kooperierende Universität Oxford und namhafte Epidemiologen protestieren.
Etwas Licht ins Datendunkel dürfte das für Freitag angekündigte Urteil der
EU-Arzneimittelagentur EMA bringen. Den Lieferstreit kann hingegen nur die
Veröffentlichung des Vertrags nach dem Vorbild von Curevac klären. Auch darum
ging es am Mittwochabend in einem Krisengespräch der EU-Kommission mit
AstraZeneca. Einstweilen steht Aussage gegen Aussage. An einem Argument von
Konzernchef Soriot kommt Brüssel allerdings nicht vorbei: London wird nicht
zuletzt schneller beliefert, da es bei der Unterschrift drei Monate schneller
war - auch weil Brüssel die Verhandlungen im Sommer an sich riss. Drohungen mit
Exportverboten lenken davon nicht ab.

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