PARIS (awp international) - In Frankreich kämpfen Rechtsnationale und bürgerliche Parteien nach der ersten Runde der Parlamentswahl um die Macht im Land. Marien Le Pens Rassemblement National (RN) hofft, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu holen und so an die Regierung zu kommen. Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager wollen versuchen, dies mit einer gemeinsamen Front bei den Stichwahlen an diesem Sonntag zu verhindern.

Das sagen Ökonomen zum Ausgang der ersten Wahlrunde:

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank:

"Die Franzosen haben ihr erstes Urteil gefällt: Das Rassemblement National ist der Gewinner. Dies war im Vorfeld der Wahlen von den Demoskopen so vorhergesagt geworden. Auch mit dem zweiten Urnengang am kommenden Wochenende wird sich am Gesamtbild kaum etwas Nennenswertes ändern. (...) Was eine Regierung des RN für die Europäische Union bedeutet, bleibt derweil abzuwarten. (...) Es wäre also möglich, dass sich das RN in einer Regierung als weniger radikal erweisen würde als befürchtet. So war es in Italien, wo sich Giorgia Meloni der rechten Fratelli d'Italia als bisher gemässigt entpuppt. (...) Dass die Frankreichwahlen derweil ein langes Echo an den Finanzmärkten haben, ist unwahrscheinlich."

Holger Schmieding, Chefökonom Berenberg Bank:

"Obwohl der rechtsextreme Rassemblement National die erste Runde der französischen Parlamentswahlen gewonnen hat, bleibt das Ergebnis der zweiten Runde am 7. Juli und das Ausmass, in dem der RN die französische Innenpolitik beeinflussen könnte, weitgehend offen. (...) Eine Blockade des Parlaments bleibt das wahrscheinlichste Ergebnis. Während der RN im zweiten Wahlgang möglicherweise immer noch die absolute Mehrheit der Sitze gewinnen könnte, erscheint dies jetzt noch etwas unwahrscheinlicher als zuvor. Das Risiko-Szenario, dass die Vereinigte Linke die Macht übernehmen und ihre kostspielige Agenda umsetzen könnte, scheint weiter zurückgegangen zu sein."

Jack Allen-Reynolds, Vizechefökonom Eurozone, Capital Econommics:

"Im zweiten Wahlgang am 7. Juli könnte sich viel ändern, und die hohe Wahlbeteiligung könnte die Vorhersage des Endergebnisses noch schwieriger machen. Daher wird die Unsicherheit über die wirtschaftlichen und fiskalischen Aussichten hoch bleiben. (...) Basierend auf den Informationen, die uns bisher vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit einer von der RN geführten Mehrheitsregierung wohl leicht gesunken. Aber unser Basisszenario für dieses Wochenende scheint immer noch das plausibelste Ergebnis der Wahl zu sein: Die nächste Regierung wird weniger willens und in der Lage sein, das Haushaltsdefizit Frankreichs zu reduzieren als die scheidende Regierung."

Peter Goves, Staatsschulden-Research, MFS Investment Management:

"Die erste Runde der Wahlen in Frankreich hat die Erwartungen bestätigt: Es sieht ganz nach einem Parlament aus, in dem kein Lager die absolute Mehrheit hat. (...) Allerdings bleibt die Unsicherheit hoch. Für definitive Aussagen über die Sitzverteilung ist es zu früh, da die hohe Wahlbeteiligung dazu geführt hat, dass viele Dreierkonstellationen in die Stichwahl gehen. Das macht die Sache komplizierter. (...) Die Notwendigkeit für Koalitionen ist politisch alles andere als ideal, nicht aber unbedingt das schlechteste Ergebnis für die Börse. (...) Wir bleiben bei unserer Ansicht, dass die Ränder der Eurozone nur begrenzt von einer 'Ansteckung' betroffen sein sollten."

Research-Team Dekabank:

"Der Ausgang der ersten Runde der Parlamentswahlen in Frankreich, bei der das Rassemblement National unter anderem aufgrund der sehr hohen Wahlbeteiligung etwas schwächer als erwartet abgeschnitten hat, dürfte von den Märkten mit Erleichterung aufgenommen werden (...). Das sich abzeichnende Wahlbündnis zwischen dem Linksbündnis und Macrons Allianz reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass das RN nach dem zweiten Wahlgang am 7. Juli eine absolute Mehrheit erreichen wird. Im polarisierten Parlament wird eine konstruktive Politik jedoch kaum möglich sein und entsprechend werden die Sorgen um den französischen Haushalt die Märkte weiter umtreiben."

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