Taipeh (Reuters) - Die US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi hat Taiwan bei ihrem von China scharf kritisierten Besuch die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten versichert.

Ihr Besuch auf der Insel mache unmissverständlich klar, dass die USA Taiwan nicht im Stich lassen werden, sagte die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses bei einem Treffen mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen am Mittwoch in Taipeh. Die USA seien fest entschlossen, die Demokratie in Taiwan und der übrigen Welt zu bewahren. China reagierte empört auf den hochrangigsten US-Besuch in Taiwan seit 25 Jahren. Die Volksrepublik, die die auf Unabhängigkeit beharrende Insel als Teil ihres Staatsgebiets betrachtet, kündigte umfangreiche Militärmanöver in den umliegenden Gewässern an, bestellte den US-Botschafter ein und stoppte einige Agrarimporte aus Taiwan. Die US-Regierung bemühte sich um Deeskalation. Es gebe keinen Grund, warum der Besuch eine Krise oder einen Konflikt auslösen sollte, sagte der Sprecher für Nationale Sicherheitsfragen des US-Präsidialamtes, John Kirby.

Pelosi war am Dienstagabend ungeachtet chinesischer Drohungen im Rahmen ihrer Asien-Reise in Taiwan zu einem Zwischenstopp eingetroffen. In Erwartung des offiziell nicht angekündigten Besuchs hatten sich die Spannungen zwischen China und den USA bereits in den Tagen zuvor verschärft - und das inmitten des Ukraine-Kriegs. Schon kurz vor der Ankunft Pelosis überflogen chinesische Kampfflugzeuge die Grenzlinie zwischen der Insel und dem Festland in der Straße von Taiwan. Zudem patrouillieren chinesische Kriegsschiffe seit Montag in der Nähe der inoffiziellen Pufferzone in der Meerenge.

PELOSI: RESPEKTIEREN EIN-CHINA-POLITIK

Zwar respektiere man die Ein-China-Politik, aber die Solidarität mit Taiwan sei wichtiger denn je, sagte Pelosi. Die USA unterstützten den Status quo und wollten nicht, dass Taiwan Gewalt angetan werde. Man schätzte Taiwan als eine der freiesten Gesellschaften der Welt. Auf die Frage nach wirtschaftlichen Folgen ihres Besuchs für Taiwan sagte die 82-jährige Demokratin, dass die neue Regelung zur Stärkung der US-Chipindustrie gegenüber China "eine größere Chance für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Taiwan" biete. Tsai dankte Pelosi für die Unterstützung und erklärte, Taiwan werde angesichts einer zunehmenden militärischen Bedrohung durch China nicht zurückweichen. Taiwan werde die Zusammenarbeit mit den USA bei Sicherheit und Wirtschaft vorantreiben. Die Regierung in Taipeh kündigte zudem an, das Militär und die Cyberabwehr hätten ihre Alarmbereitschaft erhöht. Am Abend reiste Pelosi wieder ab. Nach Singapur und Malaysia standen nun noch Südkorea und Japan auf ihrem Reiseplan.

China, das bereits seit Wochen gegen eine mögliche Reise Pelosis nach Taiwan protestiert, erklärte, der Besuch verletze die Souveränität sowie die territoriale Integrität der Volksrepublik und werde schwerwiegende Auswirkungen auf die politische Grundlage der Beziehungen zu den USA haben. Es sei nicht nur der Frieden ernsthaft gefährdet sondern auch die Sicherheit der Straße von Taiwan, teilte das Außenministerium mit. Kurz nach Pelosis Ankunft kündigte das chinesische Militär Luft- und Seeübungen in der Nähe Taiwans sowie Teststarts konventioneller Raketen im Meer östlich der Insel an. Bei der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua war von Manövern von Donnerstag bis Sonntag die Rede. Dem taiwanesischen Verteidigungsministerium zufolge sollen einige chinesische Manöver auch innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone Taiwans stattfinden - ein beispielloser Schritt, wie es hieß.

US-REGIERUNG UM ENTSPANNUNG DER LAGE BEMÜHT

Die US-Regierung erklärte, man lasse sich von Chinas Drohungen und kriegerischer Rhetorik nicht einschüchtern. Es gebe aber keinen Grund für eine Eskalation, sagte Kirby am Dienstagabend. Die Pelosi-Reise stelle keine Verletzung der Souveränität der Volksrepublik dar. Auch werde die Ein-China-Politik der USA nicht infrage gestellt. Kirby rechnete mit Vergeltungsmaßnahmen Chinas erst nach dem Abflug Pelosis. Neben Manövern stelle man sich auch auf wirtschaftlichen Druck seitens Chinas ein. In US-Regierungskreisen hieß es, Außenminister Anthony Blinken habe über die Möglichkeit eines Pelosi-Besuchs bereits mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi beim G20-Treffen in Indonesien im vergangenen Monat gesprochen. Dabei habe er betont, dass eine solche Reise allein Pelosis Entscheidung und unabhängig von der US-Regierung sei.

Die EU-Kommission mahnte, die Spannungen müssten durch Dialog gelöst werden. Die Kommunikationskanäle müssten offengehalten werden, um Fehleinschätzungen zu vermeiden, erklärte die Brüsseler Behörde. Die Europäische Union stehe fest zu dem Grundsatz der Ein-China-Politik und erkenne die Führung in Peking als alleinige rechtmäßige Regierung Chinas an. Sie wolle aber auch den Status quo in der Straße von Taiwan bewahren. Ein Sprecher der Bundesregierung äußerte sich ähnlich. Solche Besuche wie jetzt von Pelosi sollten nicht genutzt werden für militärische Drohgebärden oder wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen. Reisen deutscher Vertreter seien nicht geplant. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach dagegen bei einem Besuch in Myanmar von einer bewussten Provokation Chinas. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow warnte, man sollte die Spannungen nicht unterschätzen.

Der Status Taiwans, das nur von wenigen Ländern als unabhängig anerkannt wird, ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den beiden Supermächten. Die USA unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sind aber nach eigenem Recht verpflichtet, Taiwan die Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung zu stellen.

(Mitarbeit von Christian Krämer und John Chalmers, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)