Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) muss nach den Worten von EZB-Direktorin Isabel Schnabel auch ihre Staatsanleihebestände an den Erfordernissen des Klimaschutzes ausrichten und zudem dafür sorgen, dass der Wechsel zu umweltfreundlichen Unternehmensanleihen in ihrem Portfolio auch nach dem Ende der Wiederanlagephase gelingt. In einer Grundsatzrede zur Beteiligung der EZB am Klimaschutz sagte Schnabel außerdem, dass die EZB ihre Zinsen wegen der hohen Inflation anheben müsse, obwohl das "grüne" Investitionen tendenziell stärker verteuere als herkömmliche.

1. Staatsanleihebestände

Die EZB muss bei ihren Staatsanleihebeständen den Anteil jedes Landes am eingezahlten EZB-Eigenkapital berücksichtigen. Gleichwohl muss sie Schnabel zufolge aber auch Klimagesichtspunkte beachten, zumal die EZB ihrer Ansicht nach trotz geldpolitischer Straffung dauerhaft mit einem erhöhten Anleihebestand arbeiten wird. Sie sieht dafür zwei Möglichkeiten. Zum einen könnte die EZB verstärkt Anleihen supranationaler Institutionen kaufen, die schon mehr "grüne" Anleihen begeben haben als die Regierungen. Zum anderen könnte die EZB - möglicherweise ergänzend - ihre Staatsanleihebestände in dem Maße verändern, in dem Regierungen ihrerseits verstärkt "grüne" Anleihen begeben.

2. Unternehmensanleihebestände

Die EZB muss Schnabel zufolge prüfen, ob sie den klimaorientierten Umbau ihres Portfolios vom "Strom" der zu reinvestierenden Anleihen auf den Bestand der Anleihebestände umorientieren kann. Das wäre vor allem für den Fall nötig, dass die EZB ihre Reinvestitionen einstellt. "Gleichzeitig sollten wir uns - zumindest anfangs - nicht vollständig von den Unternehmen trennen, deren Maßnahmen für die Bewältigung des grünen Übergangs besonders wichtig sind, sondern vielmehr Anreize für sie schaffen, ihre Emissionen weiter zu senken", sagte sie. Dieser Ansatz müsse auch für alle anderen erworbenen Assets gelten, also Covered Bonds und ABS.

3. Zinserhöhungen versus Klimaschutz

Höhere Zinsen verteuern "grüne" Investitionen Schnabel zufolge stärker als herkömmliche. "Während sich die Stromgestehungskosten eines Gaskraftwerks bei einer Verdoppelung der Diskontsätze nur geringfügig ändern würden, könnten sie bei Offshore-Windkraftanlagen um fast 45 Prozent steigen", sagte sie. Höhere Kredit-Spreads könnten diesen Effekt noch verstärken. Obwohl dies tendenziell die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und damit deren inflationstreibenden Einfluss zu verlängern drohe, darf die EZB darauf laut Schnabel keine Rücksicht nehmen: "Indem sie für einen rechtzeitigen Rückgang der Inflation sorgt, schafft die Geldpolitik die Bedingungen, unter denen der 'grüne Übergang' funktionieren kann", sagte sie.

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January 10, 2023 06:25 ET (11:25 GMT)