--Habeck: Deutschland steht vor gigantischer Aufgabe

--Habeck: Deutschland verfehlte 2021 sein Klimaziel

--Habeck: Brauchen während Energiewende übergangsweise Gas

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Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) will die Anstrengungen der Bundesregierung zum Einhalten der Klimaziele deutlich erhöhen. Deutschland stehe bei der Energiewende vor einer "gigantischen" Aufgaben und müsse die Geschwindigkeit bei der Emissionsminderung verdreifachen, wenn man wie geplant bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf 80 Prozent erhöhen wolle. Ein erstes Klimaschutz-Paket will die Bundesregierung bis Ende April vorstellen, ein zweites soll im Sommer kommen.

"Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend. Es ist absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden", sagte Habeck bei der Vorstellung seiner Eröffnungsbilanz Klimaschutz. "Aber wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Rückstand wettzumachen. Hierzu müssen wir die Geschwindigkeit unserer Emissionsminderung verdreifachen und deutlich mehr in weniger Zeit tun."

Dank der Corona-Pandemie habe Deutschland sein Minderungsziel beim Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) im Jahr 2020 zwar eingehalten. Habeck schätzt aber, dass wegen des Wegfalls dieses Sondereffekts Deutschland im vergangenen Jahr das Reduktionsziel bei den Treibhausgasemissionen von 40 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 deutlich verfehlen wird. Die Emissionen seien wohl um 4 Prozentpunkte gestiegen.

Damit gehe der Trend "in die falsche Richtung". Ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen würde Deutschland im Jahr 2030 die CO2-Emission nicht um 65 Prozent, sondern um lediglich 50 Prozent gegenüber 1990 verringern, warnte er. Der Zubau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen gehe zu langsam voran. Im Übergang hin zur vollständigen Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien sei die Nutzung von Gaswerken nötig. Daher müssten zunächst mehr Gaskraftwerke gebaut werden, sagte der Vizekanzler.


   Zwei Klimaschutz-Pakete bis zum Sommer 

Im April soll vom Bundeskabinett daher ein erstes Klimasofort-Paket verabschiedet werden, wie etwa eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) mit dem Wegfall der Umlage zur Förderung des Ökostromausbaus ab 2023. Außerdem soll ein Solarbeschleunigungspaket kommen.

Bei der Windenergie sollen kurzfristige Flächenpotenziale für Wind an Land erschlossen und der Ausbauprozess mit einem Wind-an-Land-Gesetz beschleunigt werden. Die Fläche will man von 0,5 Prozent auf 2 Prozent vervierfachen.

Habeck kündigte an, er werde hier auch Gespräche mit den Landesregierungen und vor Ort mit der Bevölkerung führen, wo es viel Skepsis über den Zubau von Windkraftanlagen gibt. Individuelle Vorbehalte gegen Windräder müssten bei allem Verständnis am Ende gegenüber dem Gesamtwohl zurückstehen. Als Gesellschaft müsse man in der Lage sein, "auch hin und wieder mal über unseren eigenen individuellen Betroffenheitsschatten zu springen, sonst wird das alles nichts werden", so Habeck. "Wir müssen die Flächen schaffen, sonst kommen wir da nicht ran."

Absprachen zwischen den einzelnen Bundesländern seien denkbar, aber es dürfe bei dem Ausbauflächen für Windkraftanlagen keinen Wettbewerb nach unten geben.


   Mehr Solardächer und Hilfen für Industrie 

Vorgesehen ist außerdem ein Solarbeschleunigungspaket. Dazu zählt neben den verpflichtenden Solardächern bei gewerblichen Neubauten - und wo möglich, auch bei Wohnhäusern - eine Verbesserung beim Mieterstrom. Zudem soll es eine Anhebung der Ausschreibungsschwellen und eine Öffnung der Flächenkulisse für Freiflächenanlagen unter Beachtung von Naturschutzkriterien geben.

Außerdem sollen mit der Industrie Klimaschutzverträge geschlossen werden. Diese Bereitstellung von Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference) soll die Industrie bei ihrem Umbau hin zur Klimaneutralität unterstützen. Die Regierung hofft, dass sich die Wirtschaftlichkeit klimaneutraler Produktionsverfahren dank dieses Instruments früher einstellt und die Kosten für Unternehmen planbarer werden.

Außerdem plant die Bundesregierung eine Wärmestrategie, um die Energieeffizienz in Gebäuden zu steigern. Geplant ist auch ein massiver Hochlauf von Wasserstoff zur Abdeckung des wachsenden Strombedarfs. Die Produktion von grünem Wasserstoff soll bis 2030 von 5 auf 10 Gigawatt verdoppelt, und weitere Förderprogramme sollen vorgestellt werden. Im Gebäudebereich soll Energie eingespart werden. Die Regierung plant ein Gebäudeenergiegesetz, um etwa festzulegen, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden muss.

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung lag im vergangenen Jahr laut Bundesnetzagentur bei 42,8 Prozent nach 48,0 Prozent im Jahr 2020. Die Bundesregierung will den Anteil bis 2030 auf 80 Prozent nahezu verdoppeln.

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January 11, 2022 07:14 ET (12:14 GMT)