--DSGV-Präsident Schleweis: Rezession könnte flacher und kürzer sein

--Sparkassen sehen Inflation 2023 bei 8 Prozent und 2024 bei 3,5 Prozent

--Ökonomen: Rückgang der Inflation im Dezember nur Zwischentief

(NEU: Weitere Aussagen von Pressekonferenz)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Nach Berechnungen der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe könnte das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr um 0,8 Prozent schrumpfen. "Viele Faktoren sprechen dafür, dass wir gut über den Winter kommen. Diese positive Botschaft darf uns aber nicht sorglos werden lassen", sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis. Die wirtschaftliche Situation in Deutschland sei allerdings besser, als noch im Herbst 2022 zu erwarten gewesen sei. Die Aussichten hellten sich deutlich auf, betonte Schleweis bei der Vorstellung der Prognose. Er hielt es auch für denkbar, dass das Ergebnis besser ausfällt.

Die Chefökonomen gingen davon aus, dass vor allem das erste Quartal 2023 eine negative BIP-Entwicklung zeigen werde. "Die Lage ist besser als erwartet und die Rezession könnte flacher verlaufen und kürzer sein, als noch im Sommer und Herbst 2022 befürchtet", betonte Schleweis allerdings. "Und wir sehen die Chance, dass sie bereits im Laufe des Jahres überwunden wird." Man sehe zur Zeit keine Insolvenzwelle, keine besonderen Ratingverschlechterungen und auch keine Verschlechterung von anderen Indikatoren für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Die Ertragslage der Unternehmen sei im Durchschnitt gut, die Auftragsbücher seien gefüllt.

Mehrere Faktoren sorgten gemeinsam dafür, dass sich Unternehmen und private Haushalte resilient zeigten, erklärte der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater: "Milde Temperaturen haben beim Energiesparen geholfen. Hinzu kommen staatliche Unterstützungen und ein robuster Arbeitsmarkt." Dies seien wichtige Schlüssel, um die Nachfrage der privaten Haushalte in Deutschland stabil zu halten.


Rückgang der Inflation nur Zwischentief 

Wesentlicher Belastungsfaktor bleibe aber die Inflation. Für das laufende Jahr erwarte die Sparkassen-Finanzgruppe in Deutschland eine Teuerungsrate von 8 Prozent im Jahresdurchschnitt. Für 2024 werden 3,5 Prozent prognostiziert. Zwar sei die Inflationsrate im Dezember zurückgegangen, dies sei aber nur ein Zwischentief. "Der Rückgang der Teuerung ist vor allem ein Rückpralleffekt der zuvor stark gestiegenen Energiepreise. Sie sinken jetzt, das übertönt aber ein weiterhin reges Inflationsgeschehen bei anderen Preisen, etwa für Dienstleistungen", sagte Kater.

"Die Inflation bleibt in diesem Jahr und auch noch 2024 eines unserer Hauptprobleme", hob Schleweis hervor. "Wir werden auch in diesem Jahr mit hohen Teuerungsraten leben müssen, die sich erst 2024 abflachen werden." Inflation raube Menschen den Wert ihrer finanziellen Vorsorge. Es gebe deshalb keine sinnvolle Alternative zur Fortsetzung der geldpolitischen Wende. Die Europäische Zentralbank habe die Zinswende aber zu spät eingeleitet. Die Kurskorrektur wirke, als ob man mit einem Tanker eine schnelle Kehrtwende mache. "Dass der Druck jetzt nicht voll auf die ganze Volkswirtschaft durchschlägt, sondern abgepuffert wird, ist der langfristig angelegten Finanzierungskultur in Deutschland zu verdanken", sagte er.

Schleweis plädierte dafür, über die dringlichen Krisenreaktionen nicht die langfristig notwendigen Strukturveränderungen aus den Augen zu verlieren. "Die Krise ist nicht vorbei. Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten, dürfen wir keine Zeit verlieren." Tiefgreifende Strukturveränderungen in der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft müssten jetzt zügig vorangetrieben werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland zu erhalten.

Um eine Deindustrialisierung zu verhindern, müssten die Energiekosten dauerhaft und wirksam begrenzt werden. Langfristig sei dies nur durch eine kraftvolle Energiewende hin zu regenerativen Energien möglich. "Wir brauchen deshalb massive Investitionen in die ökologische Transformation der Wirtschaft, in die Digitalisierung unserer Gesellschaft und in die Infrastruktur", sagte der DSGV-Präsident. Dazu sei die Mobilisierung erheblichen privaten Kapitals erforderlich.

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January 18, 2023 06:43 ET (11:43 GMT)