-- GDV-Präsident Weiler: Versicherer trotzen Corona

-- 2021 Beitragsplus von 1,1 Prozent auf 223,4 Milliarden Euro

-- Corona und Flut hinterlassen sichtbare Spuren im Ergebnis

-- Nachhaltige Investitionsmöglichkeiten im Fokus

(NEU: weitere Aussagen)

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Versicherungswirtschaft ist für das laufende Geschäftsjahr 2022 nach Angaben ihres Branchenverbandes "vorsichtig optimistisch" und erwartet ein Beitragswachstum von 2 bis 3 Prozent. "Versicherer trotzen Corona und sehen mit vorsichtigem Optimismus nach vorne", sagte der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Wolfgang Weiler. Bei der Jahresmedienkonferenz des Verbandes stellte er besonders nachhaltige Investitionsmöglichkeiten in den Mittelpunkt, die die Politik der neuen Regierung der Branche biete.

Im abgelaufenen Jahr 2021 hätten die Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe an der Ahr "sichtbare Spuren im Geschäftsergebnis der deutschen Versicherer hinterlassen", erklärte der GDV. Erstmals seit 2013 hätten die Unternehmen aus dem Bereich Schaden- und Unfallversicherung "unter dem Strich rote Zahlen" geschrieben.

Die Versicherungswirtschaft insgesamt verbuchte 2021 den Angaben zufolge über alle Sparten hinweg ein Beitragsplus von 1,1 Prozent auf 223,4 Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte das Plus 1,6 Prozent betragen. "Unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie ist das solide", sagte Weiler zum Gesamtergebnis 2021. "Wir können mit dem Wachstum zufrieden sein, auch wenn wir uns zu Jahresbeginn etwas mehr erhofft hatten", sagte er bei der online abgehaltenen Medienkonferenz.

"Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels muss unser aller Handeln bestimmen", erklärte der GDV-Präsident mit Blick auf die bevorstehende Zeit. Die Ausrichtung aller Politikbereiche auf das Pariser Klimaschutzabkommen sei das große Ziel der neuen Regierung. Diese befördere damit "einen verlässlichen Planungshorizont für die Nachhaltigkeitswende".


Nachhaltige Kapitalanlage im Fokus 

Das sei den Versicherern ein wichtiges Anliegen "und eröffnet dem Sektor nachhaltige Investitionsmöglichkeiten", sagte Weiler und betonte: "Nachhaltige Kapitalanlage ist eine Riesenchance." Die Koalitionsparteien wollten Deutschland zu einem führenden Standort nachhaltiger Finanzierung machen. Zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten solle mehr privates Kapital mobilisiert werden. Grüne Bonds und Öffentlich-Private Partnerschaften seien dafür passende Instrumente, "gerade für Versicherer als große und langfristig orientierte Investoren".

Weiler betonte zudem, die private Altersvorsorge sei "nicht nur reformbedürftig, sie ist reformfähig". Für die betriebliche und die private Altersversorgung gehe es vor allem darum, Raum für breitere Anlagemöglichkeiten und mehr Renditechancen zu schaffen. Aus Sicht des GDV setze dies voraus, "dass Garantien mit Augenmaß gelockert werden". Bei der Reform der privaten Altersvorsorge gelte es, auch die Chancen von Digitalisierung und Standardisierung zu nutzen. "Eines brauchen wir nicht: den Staat als Anbieter in der freiwilligen, kapitalgedeckten Ergänzungsvorsorge", stellte der GDV-Präsident aber klar. "Schlanke und attraktive Standardprodukte können wir privatwirtschaftlich anbieten - wenn die Rahmenbedingungen stimmen", sagte Weiler.

Positiv zu bewerten seien auch die geplanten Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Der GDV fordere ein neues Gesamtkonzept, das verbindliche politische Schritte zur Klimafolgenanpassung vorsehe, die von Versicherungsschutz für alle privaten Hauseigentümer flankiert würden. Der Bund solle den Versicherern mit Hilfe eines Überleitungsgesetzes die Möglichkeit eröffnen, alle bestehenden privaten Wohngebäudeversicherungsverträge zu einem Stichtag umzustellen, forderte Weiler. Damit erhielten alle Versicherungsschutz gegen Naturgefahren, und jeder Hausbesitzer würde künftig dafür eine risikobasierte Prämie zu zahlen haben.

In der Schaden- und Unfallversicherung wurde das Ergebnis 2021 laut GDV vom verheerenden Juli-Hochwasser geprägt: Es war demnach mit versicherten Schäden von über 8 Milliarden Euro die teuerste Katastrophe dieser Art in Deutschland überhaupt und machte 2021 zu einem Jahr mit der nie dagewesenen Schadenbelastung von 12,5 Milliarden Euro allein aus Naturgefahren, nach 2,0 Milliarden Euro im Jahr zuvor. Dies habe sich in einem signifikanten Anstieg des Schadenaufwands insgesamt um 20 Prozent auf 62,3 Milliarden Euro bemerkbar gemacht.


Lebensversicherung zeigt sich stabil 

Obwohl die Beitragseinnahmen der Sparte laut GDV um 2,2 Prozent auf 76,6 Milliarden Euro zunahmen, kletterte die Schaden-Kosten-Quote - das Verhältnis von Kosten und ausgezahlten Leistungen zu den Beitragseinnahmen - auf 102 Prozent (Vorjahr: 90,7 Prozent). "Angesichts der Rekordschäden ist das immer noch ein vorzeigbares Ergebnis", sagte Weiler. Die Lebensversicherung entwickelte sich nach den Angaben im zweiten Corona-Jahr stabil. Die Beitragseinnahmen der Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds beliefen sich demnach 2021 auf rund 102 Milliarden Euro - ein Minus um 1,4 Prozent.

Zurückzuführen sei diese Entwicklung auf ein um 4,7 Prozent auf 36,5 Milliarden Euro reduziertes Einmalbeitragsgeschäft. Die laufenden Beitragseinnahmen legten laut dem Verband hingegen leicht auf 65,3 Milliarden Euro zu. Positiv entwickelte sich 2021 das Riester-Neugeschäft mit einem deutlichen Plus von 12 Prozent auf 310.500 neue Verträge. Die Beitragseinnahmen der privaten Krankenversicherungsunternehmen erhöhten sich um 5 Prozent auf 45,0 Milliarden Euro. Mit 40,5 Milliarden Euro entfällt davon laut GDV der Großteil auf die Krankenversicherung, ein Plus von 4,7 Prozent.

Der Verband erwartete, dass die Corona-Pandemie in der Lebensversicherung auch dieses Jahr die Geschäftsaussichten dämpfen dürfte. Hier dürfte 2022 ein Beitragswachstum zwischen 1 und 2 Prozent realistisch sein. Bei den klassischen Lebensversicherungsprodukten erwarteten die Unternehmen eine schwächere, bei den kapitalmarktorientierten eher eine wachstumsstärkere Entwicklung.

"Entscheidend dafür sind die wirtschaftlichen Perspektiven der privaten Haushalte, und welche politischen Rahmenbedingungen sich für die private Altersvorsorge in der laufenden Legislaturperiode ergeben", erklärte Weiler. Auch in der Schaden- und Unfallversicherung zeichne sich ein solides Wachstum für 2022 ab. Hier könnten inflationsbedingte Anpassungen der Versicherungssummen und Deckungserweiterungen in der Sachversicherung zu einem Beitragswachstum von rund 3 Prozent führen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

DJG/ank/jhe

(END) Dow Jones Newswires

January 27, 2022 06:08 ET (11:08 GMT)