Washington/Berlin (Reuters) - Die Inflation in den USA zieht wieder kräftig an und verzögert damit die an den Finanzmärkten herbeigesehnte Zinswende voraussichtlich um Monate.

Die Verbraucherpreise stiegen im März zum Vorjahresmonat um 3,5 Prozent, nach 3,2 Prozent im Februar, wie das Arbeitsministerium in Washington am Mittwoch mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit 3,4 Prozent gerechnet. Von Februar auf März zogen die Preise um 0,4 Prozent an. Hier hatten Experten nur einen Zuwachs von 0,3 Prozent erwartet. Die Terminmärkte haben nach den Daten die Hoffnung begraben, dass eine erste Zinssenkung der Notenbank im Juni ansteht. Nunmehr wird erst für September damit gerechnet: Die Wahrscheinlichkeit dafür wird auf 74 Prozent taxiert.

Die Inflationszahlen dämpften die Stimmung am Markt. "Die Daten sprechen dafür, dass sich die US-Notenbank mit Zinssenkungen über die Jahresmitte hinaus Zeit lässt, zumal die Wirtschaft weiter kräftig expandiert", so die Commerzbank-Experten Bernd Weidensteiner und Christoph Balz. Der deutsche Leitindex Dax und sein europäisches Pendant, der EuroStoxx50, bauten ihre früheren Gewinne wieder ab und notierten leicht schwächer. Aus den Depots flogen auch die US-Staatsanleihen. Die Rendite der zehnjährigen Bonds stieg im Gegenzug zum fallenden Kurs auf 4,491 von 4,348 Prozent. Der Dollar-Index kletterte um 0,7 Prozent auf 104,79 Punkte.

Auch bei dem von der US-Notenbank stark beachteten zugrundeliegenden Inflationstrend zeichnet sich keine Entspannung ab: Die sogenannte Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Kosten für Energie und Lebensmittel außen vor bleiben, verharrte im März auf dem Vormonatswert von 3,8 Prozent. Experten hatten mit einem Rückgang auf 3,7 Prozent gerechnet.

Die US-Notenbank stemmt sich mit einer Hochzinspolitik gegen die Teuerung. Nach teils aggressiven Erhöhungen pausierte die Federal Reserve mehrmals und hielt den Leitzins in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent konstant. der nächste Zinsentscheid steht am 1. Mai an. Fed-Chef Jerome Powell hatte jüngst bekräftigt, dass es Aussicht auf eine Zinswende im laufenden Jahr gibt. Die Inflation sei auf dem Weg zum Ziel der Fed von zwei Prozent, obgleich auf einem "bisweilen holprigen Pfad". NordLB-Analyst Tobias Basse erwartet, dass Powell nun zunächst auf sehr klare Hinweise für Beruhigungstendenzen an der Inflationsfront warten will: "Folglich dürfte das Thema Leitzinssenkungen erst im zweiten Halbjahr 2024 auf die Agenda der US-Zentralbank rücken."

(Büro Washington, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Rene Wagner, Zuzanna Szymanska, Frank Siebelt, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Ann Saphir