BERLIN (dpa-AFX) - Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stößt mit ihren Plänen zu Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf heftigen Widerstand der Union. Aber auch FDP-Politiker erhoben am Montag Bedenken. Das Innenressort verweist darauf, dass die erleichterte Einbürgerung im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Im Bundesinnenministerium sei man daher "sehr optimistisch", dass die weitere Abstimmung mit den anderen Ressorts der Regierung bald abgeschlossen werden könne, sagte Ministeriumssprecher Maximilian Kall.

Laut Gesetzentwurf des Innenministeriums soll man statt wie bislang nach acht Jahren künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland die Staatsbürgerschaft erhalten können. Bei "besonderen Integrationsleistungen" soll dies schon nach drei Jahren möglich werden - etwa wenn Einwanderer besondere schulische oder berufliche Leistungen oder ehrenamtliches Engagement gezeigt haben oder über besonders gute Sprachkenntnisse verfügen. Für Ausländer, die das 67. Lebensjahr vollendet haben, sollen zudem die bislang geltenden Anforderungen an das Sprachniveau gesenkt werden.

Die Union hält nichts von den Plänen. Der deutsche Pass dürfe nicht entwertet werden, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja der "Rheinischen Post" (Montag). Es müsse weiter gelten: "erst Integration, dann Staatsbürgerschaft". Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit stehe daher am Ende, "nicht am Anfang eines Integrationsprozesses".

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Anstatt die Migration zu steuern, verteilt die Ampel immer mehr Bleiberechte für abgelehnte Asylbewerber." Demnächst solle "sogar die deutsche Staatsangehörigkeit großflächig verteilt werden, ohne zu verlangen, dass die bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben wird". Wer aber ein "Bekenntnis für Deutschland" wolle, müsse eine solche Entscheidung erwarten dürfen.

CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte in Berlin: "Es gibt keine Notwendigkeit, an den bestehenden Regeln etwas zu ändern." Es müsse zunächst eine Integrationsleistung eingefordert werden, am Ende könne dann die Einbürgerung stehen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwies in München darauf, dass sich der Zuzug von Migranten im Vergleich zum letzten Jahr vervielfacht habe und die Unterbringungsverwaltungen in Ländern und Kommunen am Limit seien. Herrmann sieht das als Anlass, auf der anstehenden Innenministerkonferenz anzumahnen, auf keinen Fall weitere Zuwanderungsanreize zu setzen. Herrmann vermisst zudem Aktivitäten zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber. "Wo bleibt die seit einem Jahr angekündigte Rückführungsoffensive? Wo bleiben die im Koalitionsvertrag versprochenen Abkommen mit den Herkunftsländern abgelehnter Asylbewerber", fragte der CSU-Politiker.

Bedenken gegen die Pläne der Innenministerin hat auch die FDP. Deren Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der "Rheinischen Post": "Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für eine Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts. Es gibt bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration." So hätten es die zuständigen Ressorts nicht einmal geschafft, den dafür von der Koalition geplanten Sonderbeauftragten zu benennen. Die Ampel dürfe daher den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen, sagte Djir-Sarai.

Auch der FDP-Spitzenpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht das Vorgehen von Faeser zu schnell. Es sei richtig, dass diejenigen, die in Deutschland lange leben und arbeiten, schneller integriert werden sollten, sagte Strack-Zimmermann, im "Frühstart" von RTL/ntv. "Aber bevor Frau Faeser das zur Chefinnen-Sache macht, sollte sie erst mal dafür Sorge tragen, dass die, die hier illegal sind, die, die möglicherweise auch gesetzlich aufgefallen sind, dass die erst mal ordentlich zurückgeführt werden." Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf Twitter, bei Einwanderung gelte, "dass alle helfenden Hände im Arbeitsmarkt willkommen sind, aber niemand, der nur die Hand im Sozialsystem aufhalten möchte". Das gelte auch für die Staatsbürgerschaft.

Der FDP-Innenexperte Stephan Thomae bemühte sich, der Kritik führender Liberaler etwas die Spitze zu nehmen. Er sagte: "Grundsätzlich wollen wir auch Mehrstaatigkeit ermöglichen, allerdings mit klaren Regeln, damit sich doppelte Staatsangehörigkeiten nicht immer weiter vererben", sagte Thomae. Faesers Entwurf setze viele Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag um - "in Detailfragen stehen wir aber noch Abstimmungsbedarf".

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, verteidigte die Pläne. "Wir wollen ein modernes Einwanderungsland gestalten. Dazu gehört, dass wir schneller, besser und mehr einbürgern", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Deutschland brauche Fach- und Arbeitskräfte, die "gerne zu uns kommen und bleiben." Tue man das nicht, verramsche man die Wirtschaftskraft und den Wohlstand Deutschlands.

Auch die Linke stellte sich hinter die Pläne Faesers und kritisierte die Haltung von CDU und CSU. Die Union drohe "in einen Kulturkampf von rechts zu verfallen", sagte Linken-Chef Martin Schirdewan am Montag in Berlin.

Für eine Einbürgerung müssen Einwanderer laut der aktuellen Gesetzeslage ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine auf Dauer angelegte Aufenthaltserlaubnis besitzen. Sie müssen ihren Lebensunterhalt finanzieren können, ausreichend Sprachkenntnisse haben und Grundlagen der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie Lebensverhältnisse in Deutschland kennen. Letzteres wird durch einen Einbürgerungstest geprüft.

Zudem müssen Einwanderer in der Regel ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben. Ausnahmen davon gelten beispielsweise für EU-Bürger und Menschen, deren Herkunftsland sie an einer Aufgabe hindert. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Anspruch auf Einbürgerung grundsätzlich nicht mehr davon abhängig ist, seine bisherige Staatsbürgerschaft aufzugeben./abc/DP/mis