Frankfurt (Reuters) - Neue Kredit-Daten und Umfrage-Ergebnisse aus dem Euroraum lassen eine baldige erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) immer wahrscheinlicher erscheinen.

Die rekordhohen Zinsen in der 20-Länder-Gemeinschaft dämpfen die Konjunktur weiterhin erheblich und sorgen dafür, dass die Darlehensvergabe der Banken an Unternehmen in der 20-Ländergemeinschaft nicht richtig in Schwung kommt. Dies geht aus Daten zum Kreditgeschäft der Geldhäuser im März hervor, die die EZB am Freitag in Frankfurt veröffentlichte. Verbraucher im Währungsraum schrauben unterdessen Umfrage-Resultaten zufolge ihre kurzfristigen Inflationserwartungen immer weiter nach unten.

Geldhäuser in der Euro-Zone reichten laut den EZB-Daten im März nur 0,4 Prozent mehr Darlehen an Unternehmen aus als ein Jahr zuvor. Im Februar hatte das Wachstum bei 0,3 Prozent gelegen. An die Privathaushalte vergaben die Banken im März 0,2 Prozent mehr Darlehen als vor Jahresfrist nach einem nur minimal größeren Plus von 0,3 Prozent im Februar. Die monatlichen Daten zur Darlehensvergabe der Geldhäuser liefern der EZB stets wichtige Hinweise dazu wie sich die Finanzierungsbedingungen in der Euro-Zone entwickeln. Die nächste Zinssitzung der Euro-Wächter ist am 6. Juni in Frankfurt.

"Das derzeitige Tempo der Kreditvergabe führt zu schwachen Investitionsaussichten, was für vorsichtige Zinssenkungen der EZB spricht, um der Wirtschaft in den kommenden Quartalen etwas Luft zu verschaffen", kommentierte Volkswirt Bert Colijn von der Großbank ING die Zahlen. Da zudem die Inflationserwartungen weiter sinken, stünden die Daten im Einklang mit dem Beginn vorsichtiger Zinssenkungen. Ein erster Schritt nach unten im Juni sei möglich, so Colijn.

Die Geldmenge M3 nahm im März laut EZB um 0,9 Prozent zu. Volkswirte hatten mit einem kleineren Wachstum von 0,6 Prozent gerechnet. Im Februar war diese Messgröße noch um 0,4 Prozent gestiegen. M3 umfasst Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen. Trotz der klaren Wachstumszunahme liegt das Plus weiterhin deutlich unter den Raten von mehr als sechs Prozent aus dem Frühjahr 2022, als die Euro-Wächter trotz steigender Inflation die Zinsen noch nicht erhöht hatten. Erst im Sommer 2022 begann die EZB damit, die Schlüsselsätze im Kampf gegen den massiven Inflationsschub anzuheben.

INFLATIONSZIEL IN SICHT

Inzwischen nähert sich die Teuerung immer mehr dem Inflationsziel der Währungshüter von 2,0 Prozent an, das sie mittelfristig als optimales Niveau für die Wirtschaft anstreben. Im März lag die Inflationsrate bei 2,4 Prozent, nach 2,6 Prozent im Februar und 2,8 Prozent im Januar. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte unlängst gesagt, die Notenbank werde die Zinsen bald nach unten setzen, sollte es nicht zu großen Überraschungen kommen.

Verbraucher im Euro-Raum rechnen einer EZB-Umfrage zufolge mittlerweile auf kurze Sicht mit immer weniger Inflation. Im Mittel (Median) gingen sie im März davon aus, dass die Teuerungsrate binnen zwölf Monaten bei 3,0 Prozent liegen wird, wie die EZB am Freitag mitteilte. Das ist das niedrigste Niveau seit Dezember 2021. In der vorangegangenen Februar-Umfrage hatten Konsumenten auf Sicht von zwölf Monaten noch eine Inflation von 3,1 Prozent erwartet, in der Januar-Umfrage waren es 3,3 Prozent gewesen. Auf Drei-Jahres-Sicht gingen die Verbraucher im März wie schon im Februar von einer Teuerung von 2,5 Prozent aus. Rund 19.000 Personen aus elf Euro-Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, nehmen an der monatlichen Umfrage teil.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Christian Götz und Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)