Zürich (awp/sda) - Das Spesenkonto des ehemaligen Raiffeisenchefs Pierin Vincenz zeigt gemäss Staatsanwaltschaft eine eigentliche "Tour de Suisse durchs Rotlichtmilieu" auf. Für sie ist deshalb klar, dass die Besuche in verschiedenen Etablissements nicht geschäftlich, sondern privat begründet waren.

Vincenz hatte in seiner Befragung am Dienstagabend geltend gemacht, dass die auf seiner Spesenabrechnung als "Nachtessen" deklarierten Besuche in Cabarets und Stripclubs der Beziehungspflege mit Geschäftsleuten gedient hätten.

Angesichts der Regelmässigkeit, mit der der 65-Jährige über Jahre hinweg in allen Regionen der Schweiz solche Etablissements aufgesucht hatte, geht die Staatsanwaltschaft aber davon aus, dass Vincenz diese aus einer persönlichen Neigung heraus aufgesucht habe. Es sei um "seine Bedürfnisse, sein gutes Gefühl, seine Entspannung" gegangen, sagte der Staatsanwalt am Mittwoch.

"Dreist und unzulässig"

Auch die Versuche, mehreren reinen Familienreisen einen geschäftlichen Anstrich zu verleihen, seien geradezu skurril, hielt der Staatsanwalt fest. Er verwies darauf, dass in Vincenz' Agenda bei einem London-Trip "Ferien, keine Termine abmachen" verzeichnet war. Dies als "Geschäftsreise" zu bezeichnen und seiner Raiffeisenbank in Rechnung zu stellen, sei dreist und unzulässig.

Der ehemalige Bankenchef habe sich "über Jahre hinweg von der Raiffeisenbank diversen Aufwand vergüten lassen, der nicht geschäftlich bedingt war", sagte der Staatsanwalt.

Die Staatsanwaltschaft hat am Mittwochnachmittag mit ihrem mehrstündigen Plädoyer begonnen. In einem ersten Teil befasst sie sich mit den Spesen. In ihrer Anklage wirft sie dem Ex-Bankenchef vor, dass er über Geschäftsspesen Besuche in Stripclubs (200'000 Franken), private Reisen (250'000 Franken) und Anwaltskosten für private Beratungen (140'000 Franken) abgerechnet habe.