(Im ersten Satz wurde ein Tippfehler berichtigt: ins.)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - In der Debatte um hohe Kindergeldzahlungen ins Ausland haben Befürworter von Kürzungen einen erheblichen Dämpfer bekommen. Die EU-Kommission kündigte am Donnerstag in Brüssel an, gegen Österreich ein Verfahren wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen EU-Recht einzuleiten.

In der Alpenrepublik war im vergangenen Jahr beschlossen worden, die Zahlungen an die Lebenshaltungskosten im Wohnsitzstaat des Kindes anzupassen. Die seit Jahresbeginn geltende Indexierung führt unter anderem dazu, dass Leistungen an in Österreich arbeitende Ungarn, Polen, Rumänen und Slowaken gekürzt werden, wenn deren Kinder in der Heimat leben. Damit bekommen jetzt etwa 125 000 Kinder weniger Geld als zuvor. Die Regierung in Wien rechnet mit Einsparungen von rund 100 Millionen Euro.

Die EU-Kommission machte nun allerdings deutlich, dass sie die auch in Deutschland intensiv diskutierte Maßnahme nicht für tragbar hält und notfalls eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten wird. "Es gibt in der EU keine Kinder zweiter Klasse", erklärte die zuständige Kommissarin Marianne Thyssen. "Wenn Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, in gleicher Weise wie lokale Arbeitskräfte zum Sozialsystem beitragen, dann sollten sie auch in den Genuss der gleichen Leistungen kommen - auch wenn ihre Kinder im Ausland wohnen." Eine Indexierung sei zutiefst unfair und helfe auch nicht gegen Sozialtourismus.

Die Regierung in Wien zeigte sich allerdings unbeeindruckt. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass die von uns gewählte Lösung mit europäischem Recht vereinbar ist", kommentierte Österreichs Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Sofern die Kommission sich nicht von den österreichischen Argumenten überzeugen lasse, sei letztlich der Europäische Gerichtshof am Zug.

In Deutschland war eine mögliche Kindergeldanpassung in den vergangenen Monaten ebenfalls intensiv diskutiert worden. Grund waren unter anderem die in den vergangenen fünf Jahren stark gestiegenen Zahlungen ins Ausland. So überwiesen die deutschen Behörden im vergangenen Jahr Kindergeld in Höhe von rund 402 Millionen Euro ins Ausland. 2012 waren es nach Angaben der Bundesregierung nur rund 75 Millionen Euro gewesen.

Unter den knapp 252 000 Kindern, für die 2018 Kindergeld in europäische Staaten oder die Türkei überwiesen wurde, bildeten die polnischen Kinder (123 855) die größte Gruppe.

Die CSU hatte im Juni im Bundesrat einen Antrag zur Anpassung der Höhe des Kindergeldes an die Lebenshaltungskosten in dem Land, in dem das Kind lebt, vorgestellt. Der Finanzausschuss entschied jedoch, seine Beratungen zu der Initiative auf unbestimmte Zeit zu vertagen.

Die Bundesregierung positioniert sich ähnlich und hat wegen der Bedenken der Kommission bislang noch keinen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Sie bemüht sich allerdings, dazu auf europäischer Ebene eine Einigung zu erreichen.

Starker Befürworter einer Kindergeld-Anpassung ist die AfD. Sie hat bereits zwei Anträge dazu in den Bundestag eingebracht, zuletzt in der vergangenen Woche. "Ich hoffe, dass der Europäische Gerichtshof der Argumentation der Kommission nicht folgen wird", sagte der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk am Donnerstag. Seine Fraktion werde an ihrem Gesetzentwurf festhalten, "weil wir überzeugt sind, dass die geltende Regelung deutsche Kinder benachteiligt und deshalb zutiefst ungerecht ist". Parteichef Jörg Meuthen forderte, die Bundesregierung müsse sich "an Österreichs Seite stellen, um Kindergeldtourismus zu stoppen".

Mit der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahren hat Österreich nun zwei Monate Zeit, um auf die Position der EU-Kommission zu reagieren. Wenn sie nicht einlenkt, dürfte das Verfahren bis hin zu einer Klage vor dem EuGH fortgesetzt werden./aha/DP/jha