BERLIN (dpa-AFX) - Der als "Waldmacher" bekannte Agrarexperte Tony Rinaudo plädiert für einen anderen Umgang mit Bäumen in Deutschland. Dabei hat der Träger des Alternativen Nobelpreises nicht nur Wälder im Blick, sondern andere Flächen: "Am Rande von Eisenbahnstrecken, in Parks und in Städten sehe ich kleine Bäume, die versuchen zu wachsen. Und es braucht nur ein bisschen Zutun, ein bisschen Beschneiden, ein bisschen Nachdenken", sagte Rinaudo der Deutschen Presse-Agentur vor dem sogenannten Waldgipfel in Berlin. "Jeder kann das."

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat Wirtschaft und Verbände für diesen Mittwoch zu dem Spitzentreffen eingeladen, um Beschlüsse zum Schutz der deutschen Wälder zu fassen, die durch Dürre und Schädlinge geschwächt sind. Bäume können große Beiträge zum Klimaschutz leisten, unter anderem binden sie das am Aufheizen der Erde beteiligte Kohlendioxid (CO2).

Der Australier Rinaudo bekam 2018 den Alternativen Nobelpreis für die Methode, in der Sahel-Region aus altem Wurzelwerk neue Bäume sprießen zu lassen. Dabei zielte sein Vorgehen in Niger besonders auf Agrarflächen, wo Landwirte inzwischen wieder mehr Bäume als früher großwerden lassen.

Zur Übertragung der Idee auf Deutschland sagte der 62 Jahre alte Agrarwissenschaftler: "Die Prinzipien sind die gleichen. Es geht mit jedem Baum, der die Anlage besitzt, nach dem Kappen neu zu treiben: Sie haben Weiden, Sie haben Pappeln. Andere hinterlassen Samen im Boden. Eigentlich geht es mehr um das menschliche Verhalten."

Rinaudo erläuterte, er setze beim Klimaschutz insgesamt eher auf die Kraft kleiner Schritte und den Druck der Menschen als auf Politiker alleine: "Ich habe viel Vertrauen in Fridays for Future, die Bewegungen der Jugend, Aktionen von Einzelnen. Denn von dort wird die Veränderung kommen." Und weiter: "Ich denke, es sind die normalen Leute, die alltägliche Schritte tun: den Lichtschalter ausmachen, wenn sie den Raum verlassen. Einen Baum pflanzen. Protestieren. Die sich verstärkende Wirkung dieser kleinen Schritte wird auch die Politiker zu Veränderungen zwingen."

Er selbst konzentriere sich mehr darauf, Bewegungen anzustoßen, als auf Projekte: "Projekte starten und enden, sie sind abhängig vom Geld. Bewegungen haben keine Grenzen. Du kontrollierst sie nicht. Sie wandern von Mensch zu Mensch, werden viral."

Mit Blick auf die Brände in der Amazonasregion mahnte er einen strategisch klugen Umgang mit Brasilien an. "Zuerst müssen wir die Dinge bei uns zu Hause in Ordnung bringen: Wie behandeln wir unsere eigenen Wälder? Und überhaupt können wir Präsident (Jair) Bolsonaro oder einem armen Bauern das Vorgehen nicht diktieren", sagte er.

Die Methode, für die Tony Rinaudo geehrt wurde, heißt Farmer Managed Natural Regeneration. Die Organisation World Vision, für die der Australier arbeitet, setzt sie heute in 25 Ländern um. Der Regisseur Volker Schlöndorff plant einen Dokumentarfilm über Rinaudo./pky/DP/zb