- von Christian Krämer und Rene Wagner

Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft hat kritisch auf den verlängerten Teil-Shutdown reagiert.

Vielen Verbänden fehlt in der Coronavirus-Krise eine längerfristige Perspektive. Der Einzelhandelsverband HDE drohte indirekt mit Klagen gegen die verschärften Regeln für größere Läden. Die Details der Dezember-Hilfen werden momentan zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium abgestimmt. Es wird mit zusätzlichen Kosten von 15 bis 20 Milliarden Euro für den Bund gerechnet. Ökonomen erwarten, dass die Wirtschaft im vierten Quartal wieder schrumpfen wird - und damit erneut eine Rezession droht.

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth sagte am Donnerstag, es gebe keinen sachlichen Grund, ab 800 Quadratmeter Verkaufsfläche weniger Kunden als bisher zuzulassen. Er verwies auf Hygienekonzepte, die sich in kleineren und größeren Läden bewährt hätten. Die Regelung stehe juristisch auf unsicherem Boden. Im ersten Shutdown im Frühjahr hätten zunächst nur kleinere Läden wieder öffnen dürfen, was Gerichte aber schnell infrage gestellt hätten. Teile des Handels sind indirekt stark von den Corona-Einschränkungen betroffen. Unter anderem im Bekleidungsgeschäft sind die Umsätze zuletzt eingebrochen, weil deutlich weniger Kunden in die Innenstädte kamen.

Auch die Gesamtwirtschaft wird durch den Teil-Lockdown mit geschlossenen Restaurants, Bars, Kinos und Hotels ab Anfang November stark in Mitleidenschaft gezogen. "Damit dürfte das Wachstum unter die Nulllinie rutschen, wir rechnen mit einem Minus von einem Prozent", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer der Nachrichtenagentur Reuters mit Blick auf das vierte Quartal. Auch das erste Quartal 2021 dürfte größtenteils von einem Lockdown betroffen sein. Die Commerzbank erwartet daher eine technische Rezession im Winterhalbjahr - also zwei Negativ-Quartale in Folge. "Man darf sich keine Illusionen machen: Ein Lockdown kostet viel Geld", sagte Krämer. Die Politik habe versäumt, ausreichend Alternativen zum einfachen Dichtmachen zu entwickeln. Massentests in Altenheimen, Luftreiniger in Schulen und eine ausgefeilte Corona-Warn-App hätten den Lockdown milder ausfallen lassen können.

"DIE LUFT WIRD DÜNNER"

Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Dieter Kempf, bemängelte den fehlenden Planungshorizont. "Die Luft wird im Winter für immer mehr Unternehmer dünner. Die schwersten Gefahren für die ökonomische Gesundung im kommenden Jahr liegen in großflächigen Betriebsschließungen." Ähnlich äußerte sich Sarna Röser vom Verband der Jungunternehmer: "Vielen Firmen droht irreparabler Schaden. Neben schnellen und praktikablen Entschädigungen brauchen die Unternehmen jetzt auch eine längerfristige Perspektive." Kanzleramtsminister Helge Braun geht von weiteren Monaten mit Kontaktbeschränkungen aus. "Vor uns liegen schwierige Wintermonate. Das geht bis März", sagte er RTL.

Nach dem Beschluss von Bund und Ländern vom Mittwochabend sollen Unternehmen, Selbstständige und Vereine im Dezember ähnliche Hilfen wie im November erhalten. Für letztere stehen 15 Milliarden Euro zur Verfügung, erste kleinere Ausschüttungen soll es aber erst Ende des Monats geben. Anträge können gestellt werden, wenn Firmen direkt von Schließungen betroffen sind. Bei indirekt betroffenen Unternehmen gilt eine relativ hohe Hürde - sie müssen "nachweislich und regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze" mit direkt betroffenen Firmen machen. Anders als zuvor, als vor allem Fixkosten-Zuschüsse gewährt wurden, orientieren sich die November-Hilfen am Vorjahresumsatz, der in der Regel zu 75 Prozent ausgeglichen werden kann.

Handwerks-Präsident Hans Peter Wollseifer sagte, den Ankündigungen müsse die Regierung nun rasch Taten folgen lassen. "So löblich eine solche Ankündigung ist, entscheidend ist, dass die Hilfen auch tatsächlich bei all denen ankommen, die massiv betroffen sind." Ansonsten würden sich die Liquiditätsprobleme weiter zuspitzen.