Gernsheim (Reuters) - Bundesverkehrsminister Volker Wissing strebt für Deutschland eines der besten Schienennetze in Europa an.

Nach der Sanierung der Strecke Frankfurt-Mannheim mit einer fünfmonatigen Vollsperrung ab Montagabend folgten dann weitere Trassen, sagte der FDP-Politiker am Montag. "Sodass wir am Ende dieser Sanierungsperiode Hochleistungskorridore haben und eines der modernsten Schienennetze Europas." Die Sanierungen sollen Zug um Zug bis 2031 umgesetzt werden. Dafür brauche es einen Kraftakt, eine Ausbesserung unter dem rollenden Rad sei nicht mehr möglich, sagte er am Baustellenstandort in Gernsheim. Zwischen Frankfurt und Mannheim passiere während der Vollsperrung etwas in fünf Monaten, was sonst sechs bis acht Jahre dauere. Noch nie seien solche Summen in so kurzer Zeit in das Netz investiert worden.

Die Sanierung der 70-Kilometer-Strecke, der sogenannten Riedbahn, soll rund 1,3 Milliarden Euro kosten. Die Verbindung ist eine der zentralen Bahn-Strecken in Deutschland mit täglich rund 300 Zügen. Die Vollsperrung ab der Nacht zum Dienstag wird Auswirkungen auf den Verkehr in großen Teilen Deutschlands bis nach Frankreich haben. Mitte Dezember soll sie wieder freigegeben werden. Nach dem Vorbild sollen dann rund 40 weitere Abschnitte des Kernnetzes instandgesetzt werden.

Das deutsche Schienennetz von gut 33.000 Kilometern gilt als marode und Hauptgrund für die Unpünktlichkeit der Bahn. Zuletzt waren nur rund gut die Hälfte der Fernzüge pünktlich. Bahnchef Richard Lutz sagte, gerade die vier Wochen der Europameisterschaft hätten wie in einem Brennglas gezeigt haben, an welchen Schwächen die Infrastruktur leide. "Sie ist zu voll, sie ist zu alt und damit zu störanfällig."

FERNVERKEHR WIRD UMGELEITET ODER FÄLLT AUS

Die Riedbahn-Sanierung gilt als Pilotprojekt für alle Folge-Vorhaben. Während der fünfmonatigen Vollsperrung wird der Nahverkehr auf Busse umgestellt, 140 neue Fahrzeuge wurden gekauft und 400 neue Fahrer eingestellt. Der Fernverkehr wird umgeleitet, was zu Verzögerungen von etwa einer halben Stunde führt. Ein Drittel der Züge wird aus dem Fahrplan komplett gestrichen.

Auch der Güterverkehr wird weiträumig umgeleitet. Das führte zu Unmut bei den Deutsche-Bahn-Konkurrenten. "Umleitungen von bis zu 320 Kilometern für bis zu 80 Züge am Tag lassen die Betriebskosten der Güterbahnen explodieren", sagte der Geschäftsführer des Verbandes die "Güterbahnen", Peter Westenberger. "Je länger der Umleiter, desto höher die Kosten und desto wahrscheinlicher, dass die Unternehmen den Zuschlag gegen eine Lkw-Spedition verlieren."

Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) bemängelte, dass zuwenig Strecken elektrifiziert seien. "Diese Lücken erschweren die Umfahrung der vollgesperrten Strecken erheblich und führen zu unnötigen Komplikationen in der Organisation des Umfahrungsverkehres", sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Die Ampel-Koalition in Berlin hatte zuvor einen Vorstoß von Oppositionsführer Friedrich Merz abgelehnt, der angesichts der Überlastung eine Reduzierung des Bahn-Angebots gefordert hatte. Sowohl Grünen-Co-Chef Omid Nouripour als auch das Verkehrsministerium lehnten dies ab. Zwar brauche es große Summen für die Sanierung, sagte Nouripour. "Was es aber nicht braucht, ist eine Ausdünnung des Netzes oder der Frequenz, wie die Bahnen fahren." Dies würde sonst vor allem den ländlichen Raum treffen. "Das haben die Leute nicht verdient."

(Bericht von: Markus Wacket; Mitarbeit Christian Krämer und Reuters-TV; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)