Zürich (awp) - Der weltgrösste Nahrungsmittel-Hersteller Nestlé veröffentlicht am Donnerstag, 27. Juli, das Geschäftsergebnis für das erste Semester 2017. Aus den Analystenschätzungen ergeben sich folgende Werte:

H1 2017E
(in Mio CHF)         AWP-Konsens    H1 2016A  

Umsatz                 43'678         43'155   
EBIT                    6'644          6'611    
-Marge (in %)            15,2           15,3          
Reingewinn              4'859          4'293      

(in %)
Organisches Wachstum      2,7            3,5          
RIG                       1,6            2,8       

FOKUS: Bei Nestlé ist seit ein paar Wochen ziemlich Feuer im Dach. Wie Ende Juni bekannt wurde, hat der Hedgefonds Third Point des US-Investors Daniel Loeb für rund 3,5 Mrd USD ca. 40 Mio Aktien und Optionen des weltgrössten Nahrungsmitte-Herstellers erworben und damit eine Beteiligung von rund 1,3% aufgebaut. Loeb fordert u.a. eine höhere Gewinnmarge, Kapitalrückzahlungen an die Aktionäre, eine Bereinigung des Produkteportfolios und den Verkauf des L'Oréal-Anteils. Er wolle bei seinem Engagement aber eine konstruktive Rolle spielen, betonte er.

Der neue Nestlé-CEO Mark Schneider liess sich davon bisher nicht gross aus der Ruhe bringen. Zwar gab der Konzern nur zwei Tage nach dem Einstieg von Loeb ein grosses Aktienrückkauf-Programm und weitere strategische Richtlinien bekannt. Das Rückkaufprogramm dürfte allerdings schon seit einiger Zeit aufgegleist gewesen sein und kaum in einer Hauruckübung kurzfristig auf Druck von aussen beschlossen worden sein (siehe auch PRO MEMORIA).

Direkt wollte sich Schneider zu Loeb bisher nicht äussern: "Wir waren und sind mit allen unseren Aktionären in einem offenen Dialog, um die Erwartungen an uns genauer zu verstehen", sagte er erst letzte Woche in einem Interview mit deutschen "Manager-Magazin". Die Forderung zum Verkauf des L'Oréal-Anteils kommentierte er dabei folgendermassen: "Nestlé ist mit seinem Engagement bei L'Oréal über inzwischen mehr als 40 Jahr ausgesprochen gut gefahren. Dem habe ich nichts hinzuzufügen."

Weiter trat Schneider im Interview auch Spekulationen entgegen, er wolle Nestlé zu einem Gesundheitskonzern umbauen. Nestlé erziele 95% seines Umsatzes mit Nahrungsmitteln und Getränken, das Health Care-Business trage nur rund 5% dazu bei. Natürlich habe dieser Bereich Potential, aber es wäre keine vernünftige Strategie, mit diesen 5% etwas in Aussicht zu stellen, das die übrigen 95% überstrahle, meinte er im besagten Interview. Er schloss grössere Zukäufe in dieser Sparte zwar nicht aus, will dabei aber umsichtig vorgehen.

Insgesamt bestätigte CEO Schneider damit den Eindruck, den er seit der Übernahme des CEO-Postens Anfang Jahr auf die Investoren macht. Er weiss, was er will und geht schnell und zielstrebig voran. Er will aber überhastete Schritte vermeiden und die Langfristperspektive des Konzerns nicht aus den Augen verlieren. In diesem Zusammenhang betonte er im Interview auch noch einmal, dass Nestlé künftig besonders in diejenigen Bereiche investieren will, die ein hohes Wachstum aufweisen. Es sind dies etwa Kaffee, Produkte für Haustiere, Säuglingsnahrung sowie Mineralwasser. Zugeleich fokussiere man sich auch geographisch auf Märkte mit hohem Wachstum, hiess es.

Da in Bezug auf die Strategie die groben Linien fürs erste nun kommuniziert sind, sollten diesbezügliche Fragen beim Halbjahresabschluss eigentlich nicht im Fokus stehen - wenn auch an der Analystenkonferenz (14.00 Uhr) viele Fragen in diese Richtung gehen dürften. Für weitere Details zur Strategie dürfte Nestlé aber auf das jährliche Investorenseminar verweisen, das dieses Jahr für Ende September vorgesehen ist.

In Bezug auf die aktuellen Halbjahres-Zahlen erwarten Analysten eine leichte Beschleunigung des organischen Wachstums im zweiten Quartal gegenüber dem ersten Jahresabschnitt (+2,3%). Das erste Quartal sei noch beeinträchtigt gewesen durch das Schaltjahr 2016 sowie die späten Ostern, heisst es in einen Kommentar der ZKB. Entsprechend sollte das zweite Halbjahr eine klare Verbesserung zeigen. Ingesamt wird dem Halbjahres-Abschluss aber nicht allzu viel Bedeutung beigemessen. Die Investoren dürften sich auf das "big picture" und weniger auf die Halbjahres-Zahlen fokussieren, meint die Bank Vontobel. Für das Halbjahr geht der AWP-Konsens von einem Wachstum von 2,8% aus, was für das zweite Quartal einem Plus von 3,2-3,3% entsprechen würde.

ZIELE: Nestlé erwartet gemäss aktuellem Ausblick (vom Februar, seither diverse Male bestätigt) für das Jahr 2017 ein organisches Wachstum zwischen 2% und 4%, wobei sich die Preiskomponente weiter verbessern sollte. Zudem wird eine stabile operative Marge (bei konstanten Wechselkursen) erwartet. Zudem strebt der Konzern eine Steigerung des (nachhaltigen) Gewinns je Aktie bei konstanten Wechselkursen und der Kapitaleffizienz an. Analysten gehen davon aus, dass diese Werte für 2017 anlässlich der H1-Zahlen bestätigt werden.

Um die künftige Profitabilität zu steigern, plant Nestlé dieses Jahr gemäss früheren Angaben eine "beträchtliche Erhöhung" der Restrukturierungskosten (auf 500 Mio von 300 Mio im 2016). Dies ist der Grund, dass für 2017 lediglich eine stabilen EBIT-Marge erwartet wird und nicht wie sonst üblich eine höhere.

PRO MEMORIA:

AKTIENRÜCKKAUF: Nestlé hat kurz nach Einstieg von Third Point Ende Juni - und wie von diesem gefordert - ein grösseres Aktienrückkauf-Programm bekannt gegeben. Bis Ende Juni 2020 will das Unternehmen demnach eigene Aktien im Wert von 20 Mrd CHF zurückkaufen. Ein solches Rückkauf-Programm brauche allerdings eine gewisse Vorbereitungszeit, hiess es in Marktkreisen, so dass Nestlé höchstens in Bezug auf die rasche Kommunikation von Third Point beinflusst wurde. Aktuell (per 18.7.) sind Aktien im Wert von gut 65 Mio CHF zurückgekauft, wobei Nestlé seit dem Start des Programms (4.7.) jeden Tag Aktien im Wert von knapp 6 Mio gekauft hat - nur an zwei Tagen lag der Gesamtbetrag etwas höher.

MERGER&ACQUISITIONS: Nestlé kündigt Mitte Juni eine strategische Überprüfung seines US-Süsswarengeschäftes an. Dazu zähle auch die Option einer Veräusserung, hiess es damals, wobei der Prozess bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. Im vergangenen Jahr hat der Konzern dmait einen Umsatz von rund 900 Mio CHF erzielt, der weltweite Umsatz mit Süsswaren betrug 8,8 Mrd CHF.

Viele Analysten interpretierten diesen Schritt als Beleg dafür, dass Nestlé unter der neuen Führung bzw. wie von Beachtern erwartet schneller vorwärts machen will bei der Überprüfung des Marken-Portfolios. Analysten erwarten, dass Nestlé sich von weiteren Bereichen oder Marken trennen könnte. Zur Disposition stehen könnten etwa die Tiefkühlwaren oder das Geschäft mit Speiseeis in Nordamerika, aber auch das gesamte Süsswarengeschäft.

Nestlé will aber nicht nur abstossen, sondern auch investieren. Wie ebenfalls im Juni bekannt wurde, hat Nestlé etwa einen Minderheitsanteil an der US-Firma Freshly, einem Anbieter von frisch zubereiteten Mahlzeiten (Direct-to-Consumer), erworben. Damit trete man in einen Markt ein, der in den Vereinigten Staaten bereits auf 10 Mrd USD angewachsen sei, hiess es dazu.

Grundsätzlich will Nestlé in puncto Übernahmen "ausschliesslich externe Wachstumsmöglichkeiten priorisieren, die zu Zielkategorien und -regionen passen, attraktive Renditen erzielen und auf der Führungsposition des Unternehmens in schnell wachsenden Nahrungs- und Getränkekategorien aufbauen", wie der Konzern vor kurzem mitteilen liess.

AKTIENKURS: Die Nestlé-Aktie hat sich im bisherigen Jahresverlauf mehr oder weniger mit dem Gesamtmarkt entwickelt (+13% v. +14%). Nachdem der Einstieg des Hedgefunds Third Point von Daniel Loeb bekannt geworden war, legte das Papier am 26. Juni in der Spitze bis auf 86,00 CHF zu (Jahres- und Allzeit-Hoch), fiel seither aber wieder in den Bereich des aktuellen Kurses (82,50 CHF Dienstag 14 Uhr) zurück. Das bisherige Jahresief bei 71,45 CHF war bereits am 16. Februar - nach schwachen Jahreszahlen - erreicht worden.

www.nestle.com

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