BONN (dpa-AFX) - Den boomenden Online-Handel hat die Deutsche Post bisher nur schleichend in mehr Gewinn ummünzen können. Vorstandschef Frank Appel muss sich sputen, um sein für das Jahr 2020 gesetztes Gewinnziel zu erreichen. Für die Post-Aktie geriet das vergangene Jahr zu einer verlustreichen Berg- und Talfahrt.

DAS IST LOS BEIM UNTERNEHMEN:

Eigentlich hat die Deutsche Post an vielen Stellen auf die richtigen Pferde gesetzt: Der Online-Handel treibt das Paketgeschäft von Jahr zu Jahr an, die Tochter DHL Express ist mit den zeitkritischen internationalen Sendungen eine zuverlässige Gewinnmaschine, und mit dem Elektro-Lieferwagen Streetscooter hat der Konzern den eigentlichen Autobauern schon weit vor den ersten Dieselfahrverboten gezeigt, wie man emissionsarm Pakete in deutschen Innenstädten zustellt.

Doch während die Paketmengen von Jahr zu Jahr wuchsen, stiegen bei der Post auch die Gehälter der Mitarbeiter und damit die Betriebskosten. Die Folge war eine Gewinnwarnung im vergangenen Juni, in deren Folge die Post den langjährigen Spartenchef Jürgen Gerdes in die Wüste schickte.

Vorstandschef Frank Appel schickt jetzt reihenweise Postbeamte aus der Verwaltung in den Vorruhestand, die die Post noch aus ihrer Zeit als Staatskonzern beschäftigt. Außerdem investiert der Konzern in mehr Effizienz und setzt stärker auf die kombinierte Zustellung von Briefen und Paketen. Schließlich verschicken die Deutschen immer weniger Briefe, bestellen aber immer mehr Online.

Zudem baut Appel auf eine kräftige Erhöhung des Briefportos. Nachdem eine Anhebung zum Jahreswechsel am Genehmigungsprozess durch die Bundesnetzagentur scheiterte, kommt die Anhebung jetzt vermutlich im Sommer. Wie viel dann ein bisher 70 Cent teurer Standardbrief kosten wird, ist noch unklar - es dürfte aber ein kräftiges Plus auf deutlich mehr als 80 Cent geben.

Unterdessen muss sich Appel sputen. Im Jahr 2014 hatte er dem Konzern ehrgeizige Mittelfristziele gesetzt, die im Jahr 2020 auf einen operativen Gewinn von mehr als 5 Milliarden hinauslaufen sollen. Die dazu notwendige, durchschnittliche jährliche Steigerungsrate hat der Konzern seither aber praktisch nie geschafft. Stattdessen brach der operative Gewinn 2015 und 2018 sogar deutlich ein - zuletzt auf knapp 3,2 Milliarden Euro.

Für das laufende Jahr hat sich Appel jetzt lediglich 3,9 bis 4,3 Milliarden Euro zum Ziel gesetzt - eine Größenordnung, die er eigentlich schon für 2018 im Auge hatte. Wenn der Konzern 2019 etwa die Mitte der Zielspanne erreicht, muss er im kommenden Jahr einen Sprung von mehr als 22 Prozent hinlegen, um sein Ziel von gut 5 Milliarden Euro zu erfüllen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Analysten haben an Appels Mittelfristzielen schon seit Jahren ihre Zweifel - und die Skeptiker werden nicht weniger. Von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragte Analysten rechnen für 2020 im Schnitt mit einem Ebit von 4,74 Milliarden Euro. Im Herbst waren sie noch von gut 4,8 Milliarden Euro ausgegangen. Mehr als 5 Milliarden erwarten sie erst im Jahr 2021 oder 2022.

Dennoch halten die meisten Experten die Post-Aktie nach dem Kursrutsch des vergangenen Jahres für eine gute Anlageidee. Von den 21 im dpa-AFX Analyser erfassten Analysten raten 13 zum Kauf und 6 zum Halten der Papiere. Nur 2 Analysten empfehlen, die Post-Aktien aus dem Depot zu nehmen. Im Schnitt schreiben die Experten den Papieren ein Kursziel von knapp 35 Euro zu. Damit hätte ihr Kurs noch ordentlich Luft nach oben. Allerdings reicht die Spanne der Erwartungen von 24,50 bis 46 Euro.

Unter den Pessimisten zeigte sich Analyst Andre Mulder von Kepler Cheuvreux zuletzt von der Gewinnprognose des Vorstands für 2019 enttäuscht. Sein Kollege Daniel Röska von Bernstein, der der Aktie immerhin ein Kursziel von 30 Euro zuschreibt, sah zwar positive Anzeichen mit Blick auf die Paketpreise gegeben und den Umbau des Brief- und Paketgeschäfts. Doch mit Blick auf die mittelfristigen Ziele sieht er zunehmend Unsicherheiten.

Experte Joel Spungin von der Privatbank Berenberg findet allerdings, dass das Brief- und Paketgeschäft des Konzerns an der Börse deutlich niedriger bewertet sei als andere Postunternehmen. Für ihn ist das ein Kaufargument. Auch Christian Cohrs von Warburg Research sah sich durch die jüngsten Nachrichten in seiner positiven Einschätzung bestätigt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Anteilseigner der Post haben zuletzt einiges aushalten müssen. Wer kurz nach der Bilanzvorlage vor einem Jahr bei dem Dax-Konzern eingestiegen war, hat bis jetzt rund ein Fünftel seines Einsatzes verloren. Wer mit dem Aktienkauf hingegen bis zum Jahreswechsel wartete, hat jetzt einen Kursgewinn in ähnlicher Höhe eingefahren und liegt praktisch gleichauf mit denjenigen Anlegern, die seit drei Jahren Post-Aktien in ihrem Depot haben. Wobei diese immerhin mehrfach Dividenden einstreichen konnten.

Wer geschickt war, hat seine Post-Papiere Ende 2017 verkauft - da erreichte ihr Kurs mit 41,36 Euro den höchsten Stand seiner Geschichte. Derzeit werden sie mit rund 29 Euro knapp 30 Prozent billiger gehandelt. Fast 80 Prozent der Post-Aktien befanden sich Ende 2018 im Streubesitz. Größter Aktionär ist der deutsche Staat, der über die Förderbank KfW 20,6 Prozent der Anteile hält./stw/elm/mis