BERLIN (Dow Jones)--Im Verfahren für die Zertifizierung des Gaspipelinebetreibers Nord Stream 2 AG soll das Bundeswirtschaftsministerium Argumente der zuständigen polnischen Regulierungsbehörde ignoriert haben, berichtet der Spiegel. Das Ministerium wies die Anschuldigungen hingegen zurück. Man habe bei Analyse zur Versorgungssicherheit alle Argumente abgewogen, eklärte das Ministerium.

Das Wirtschaftsministerium hatte Ende Oktober mitgeteilt, dass eine Zertifizierung des Unternehmens als unabhängiger Transportnetzbetreiber die "Sicherheit der Gasversorgung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union nicht gefährdet". Dabei hatte in dem noch laufenden Zertifizierungsverfahren der Präsident des polnischen "Energy Regulatory Office" just die Unabhängigkeit des Pipelinebetreibers angezweifelt, so der Spiegel. Dass die Nord Stream 2 AG vom russischen Staatskonzern Gazprom kontrolliert werde, stelle "besonders hohe Risiken für die Versorgungssicherheit dar", heißt es in einem Schreiben der polnischen Behörde, aus dem der Spiegel zitiert.

Mit seiner Marktmacht sei Gazprom in der Position, "im Alleingang die Sicherheit der Gasversorgung bestimmter Mitgliedstaaten, Regionen oder sogar der gesamten EU zu gefährden".


Ministerium hat Vor- und Nachteile abgewogen 

Das Bundeswirtschafsministerium (BMWi) wies die Vorwürfe allerdings zurück. "Bei der Prüfung der Versorgungssicherheit hat das BMWi alle eingegangenen Stellungnahmen der Beigeladenen und der konsultierten Mitgliedstaaten bewertet", erklärte das Ministerium auf Anfrage von Dow Jones Newswires. "Das BMWi hat die von der Republik Polen durch ihre Regulierungsbehörde geltend gemachten Interessen sorgfältig geprüft und mit dem Interesse an einer Zertifizierung der Nord Stream 2 AG abgewogen."

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, fordert aufgrund der polnischen Bedenken einen Stopp des Pipelineprojekts. "Die alte Bundesregierung ignoriert die berechtigen Bedenken unserer Nachbarn", erklärte Müller-Kraenner im Spiegel. Es sei offensichtlich, dass Nord Stream 2 die Energiesicherheit in Europa bedrohe und die Einhaltung der Klimaziele gefährde.

Die Bundesnetzagentur setzt aktuell das Zertifizierungsverfahren fort und prüft die weiteren rechtlich notwendigen regulatorischen Bedingungen. Offen ist noch eine Bewertung der Unabhängigkeit des Netzbetriebs, was von der Bundesnetzagentur nun noch geprüft wird. Diese war nicht Gegenstand der Versorgungssicherheitsanalyse des Ministeriums.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/jhe

(END) Dow Jones Newswires

November 05, 2021 08:37 ET (12:37 GMT)