Brasilia (Reuters) - Nach der Erstürmung des Parlaments und anderer Amtsgebäude in Brasilien verstärken die Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen radikale Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro.

In der Hauptstadt Brasilia wurde am Montag ein Großaufgebot der Polizei vor einem Protestcamp von Bolsonaro-Anhängern vor dem Hauptquartier der Armee zusammengezogen. Hunderte bewaffnete Polizisten, viele von ihnen zu Pferd, gingen dort in Stellung, wie Reuters-Augenzeugen berichteten. Von einem Ultimatum zur Räumung des Lagers, wo Bolsonaro-Anhänger schon seit längerem campieren, war die Rede. Am Sonntag hatten Tausende Anhänger des Rechtspopulisten das Kongressgebäude, den Obersten Gerichtshofs und den Regierungssitz gestürmt und schwere Zerstörungen angerichtet. Erst nach drei Stunden konnte die Polizei die Menge unter dem Einsatz von Tränengas zurückdrängen.

International stieß der Sturm auf die demokratischen Institutionen auf große Empörung. US-Präsident Joe Biden verurteilte die Angriffe als "ungeheuerlich". Bundeskanzler Olaf Scholz twitterte: "Die gewalttätigen Attacken auf die demokratischen Institutionen sind ein Angriff auf die Demokratie, der nicht zu tolerieren ist." Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach von einem feigen und gewalttätigen Angriff auf die Demokratie. Die ganze Solidarität gelte dem brasilianischen Volk, seinen demokratischen Institutionen und Präsident Luiz Inacio Lula da Silva. Auch die EU, Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien und andere westliche Staaten verurteilten die Gewalt umgehend. Länder aus der Region wie Chile, Kolumbien, Argentinien, Venezuela und Kuba stellten sich ebenfalls hinter Lula.

LULA MACHT BOLSONARO VERANTWORTLICH

Der Linkspolitiker Lula hatte die Präsidentschaftswahl gegen den rechtspopulistischen Amtsinhaber Bolsonaro im Oktober gewonnen und zum Jahreswechsel den Posten als Staatchef angetreten. Bolsonaro hat bis heute seine Niederlage nicht eingestanden. Viele seiner Anhänger erkennen Lulas Sieg nicht an und sprechen von Wahlbetrug. Lula machte Bolsonaro für den Gewaltausbruch verantwortlich. Er beklagte, Faschisten und Fanatiker, die einen Militärputsch provozieren wollten, hätten wegen mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen wüten können.

Bolsonaro, der sich derzeit in Florida aufhält, bestritt, seine Anhänger aufgehetzt zu haben. Die Randalierer hätten "eine Grenze überschritten", sagte er. Justizminister Flavio Dino zufolge wurden 200 Demonstranten festgenommen.

Der Sturm auf die Regierungsgebäude war seit mindestens zwei Wochen von Bolsonaros Anhängern in Online-Plattformen wie Telegram und Twitter geplant worden. Doch die Sicherheitskräfte taten nichts, um den Angriff zu verhindern, der von einer Gruppe als "Machtergreifung durch das Volk" bezeichnet wurde. Der Gouverneur des Regierungsbezirks, Ibaneis Rocha, ein ehemaliger Verbündeter Bolsonaros, wurde vom Obersten Gericht wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen suspendiert. Das Gericht ordnete zudem an, dass die Online-Netzwerke Facebook, Twitter und TikTok die Konten von Nutzern sperren, die antidemokratische Propaganda verbreiten.

Die Ereignisse in Brasilia erinnerten stark an die Erstürmung des US-Kapitols am 06. Januar 2021 durch Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump. Sie erkannten den Wahlsieg des Demokraten Biden ebenfalls nicht an. Bolsonaro und der Republikaner Trump hatten im Amt enge Beziehungen gepflegt und einen ähnlichen Politik-Stil verfolgt. Aus den Reihen von Bidens Demokraten wurde Rufe nach einer Ausweisung Bolsonaros laut.

(Weitere Reporter: Lisandra Paraguassu, Gabriel Stardgarter, Gabriel Araujo, Christian Rüttger. Geschrieben von Christian Götz; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Anthony Boadle und Sergio Queiroz