MÜNCHEN (awp international) - Die Hochwasserkatastrophe in Europa und die vielen Corona-Opfer in mehreren Ländern kommen den Rückversicherer Munich Re teuer zu stehen. Trotzdem zeigte sich Vorstandschef Joachim Wenning am Dienstag überzeugt, dass der Dax-Konzern im laufenden Jahr wie geplant einen Gewinn von 2,8 Milliarden Euro einfährt. Allerdings belasten die pandemiebedingten Todesfälle in den USA sowie in Indien und Südafrika den Konzern 2021 wohl doppelt so stark wie bisher gedacht. Und die Flutkatastrophe in Deutschland und den Nachbarländern im Juli könnte bei dem Münchner Konzern mit rund einer halben Milliarde Euro zu Buche schlagen.

Am Finanzmarkt wurden die Nachrichten positiv aufgenommen. Die Munich-Re-Aktie legte bis zum frühen Nachmittag um 1,64 Prozent auf 240,50 Euro zu und gehörte damit zu den Spitzenreitern im Dax. Dennoch wird das Papier noch rund ein Prozent tiefer gehandelt als zum Jahreswechsel. Von dem Langzeithoch von 284,20 Euro, das die Aktie kurz vor dem Corona-Crash im Februar 2020 erreicht hatte, ist sie weiter ein gutes Stück entfernt.

Mehrere Analysten zeigten sich von der Solvenzquote des Konzerns positiv überrascht. Die Kennzahl für die Finanzstärke des Konzerns stieg im Vergleich zum Jahreswechsel von 208 auf 225 Prozent und lag damit sogar oberhalb des vom Konzern angepeilten Bereichs.

Wie bereits seit Juli bekannt, verdiente die Munich Re im zweiten Quartal unter dem Strich 1,1 Milliarden Euro und damit rund 91 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Damals hatten hohe Schadenrückstellungen infolge der Corona-Krise das Ergebnis stark nach unten gezogen.

Allerdings schlägt die Pandemie bei dem Rückversicherer weiterhin teuer zu Buche: Wegen der coronabedingten Todesfälle vor allem in den USA sowie Südafrika und Indien rechnet der Vorstand 2021 jetzt mit einer Belastung von 400 Millionen Euro - doppelt so viel wie bisher gedacht.

Allein im zweiten Quartal verbuchte der Rückversicherer in der Leben- und Kranken-Rückversicherung aus diesem Grund eine Belastung von 140 Millionen Euro. In der Schaden- und Unfall-Rückversicherung lagen die coronabedingten Schäden mit 101 Millionen Euro hingegen nur rund ein Sechstel so hoch wie im Vorjahreszeitraum.

Abgesehen von den Corona-Todesfällen sind die Belastungen durch die Pandemie in diesem Jahr sehr viel niedriger als im ersten Krisenjahr 2020. Der Vorstand bezifferte die seit Beginn der Pandemie aufgelaufene Gesamtbelastung durch das Virus für den Konzern auf fast vier Milliarden Euro, davon 3,4 Milliarden im vergangenen Jahr. Dickster Brocken waren die Zahlungen für ausgefallene Veranstaltungen.

Die Belastung durch Grossschäden aus Naturkatastrophen lag im zweiten Quartal mit 203 Millionen Euro gut ein Fünftel höher als ein Jahr zuvor. Im dritten Quartal dürfte diese Summe deutlich höher ausfallen. Grund sind die verheerenden Hochwasserschäden, die das Tiefdruckgebiet "Bernd" mit lang anhaltendem Starkregen in Deutschland und Nachbarländern wie Belgien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz angerichtet hat.

Bei der Munich Re und ihrer Düsseldorfer Erstversicherungstochter Ergo dürfte die Flutkatastrophe mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag zu Buche schlagen, hiess es. Genauere Aussagen seien noch nicht möglich, sagte Wenning in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Der deutsche Versichererverband GDV schätzt die versicherten Schäden allein in Deutschland auf 4,5 bis 5,5 Milliarden Euro.

Wenning zeigte sich grundsätzlich offen dafür, dass der deutsche Staat den Schutz gegen Elementarschäden wie Hochwasser zum Pflichtbestandteil der Gebäudeversicherung macht. "Wenn der Staat eine Pflichtversicherung für den richtigen Weg hält (?) kann das die private Versicherungswirtschaft abdecken." Dazu müssten allerdings unter anderem die Bauvorschriften geändert werden, damit in regelmässig überschwemmungsgefährdeten Gebieten nicht mehr gebaut wird, erklärte er.

Lieber wäre ihm, wenn eine Versicherung gegen Elementarschäden standardmässig Bestandteil der Gebäudeversicherung würde - und die Kunden diesen Schutz aktiv abwählen müssten. Dem GDV zufolge ist bisher weniger als die Hälfte der Häuser in Deutschland gegen Elementargefahren versichert. Wenning rechnet jedenfalls mit einer steigenden Nachfrage und kann sich vorstellen, dass dieser Anteil mit der Zeit auf 70 Prozent wächst.

Unterdessen wird Rückversicherungsschutz für Erstversicherer wie Allianz und Generali weiterhin teurer. Bei der Vertragserneuerung im Schaden- und Unfallgeschäft im Juli konnte die Munich Re nach eigenen Angaben risikobereinigt im Schnitt rund zwei Prozent höhere Preise durchsetzen und baute ihr Geschäftsvolumen sogar um 11,1 Prozent aus.

Angesichts des Geschäftsausbaus setzte der Vorstand seine Prognose für die Prämieneinnahmen in diesem Jahr ein weiteres Mal nach oben. "Wir erwarten für dieses Jahr einen Rekordumsatz von 58 Milliarden Euro", sagte Finanzchef Christoph Jurecka. Bereits im Mai hatte der Vorstand das Ziel für die Bruttoprämien auf 57 Milliarden erhöht.

Für die grosse Erneuerungsrunde zum nächsten Jahreswechsel rechnet die Munich Re in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung mit einem weiteren Dreh an der Preisschraube. Angesichts der Schäden durch die jüngsten Extremwetterereignisse in Amerika und Europa dürfte sich das Marktumfeld für Rückversicherer weiter verbessern, hiess es./stw/cho/knd/jha/