Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Die aktuelle Befüllung eines Leitungsstrangs der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 erfüllt nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums die behördlichen Vorgaben, solange es sich um einen Testlauf handelt. Die Bundesnetzagentur hat unterdessen erneut vor einer verfrühten regulären Inbetriebnahme gewarnt. Ein Sprecher betonte, dass es für eine reguläre Inbetriebnahme neben der bereits erteilten technischen Betriebserlaubnis auch noch einer Zertifizierung bedürfe sowie der Belege für einen diskriminierungsfreien Netzzugang und der Integration der Verbindungsleitung in das deutsche Marktgebiet. Anderenfalls drohten Bußgelder.

"Im Moment sehen wir, dass befüllt wird zum Zweck von technischen Prüfungen und Tests. Und das ist umfasst von der Genehmigung der Landesbehörden", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Die technische Betriebsgenehmigung durch das Bergamt Stralsund sei erteilt worden.

Seit dem 8. September prüfe die Bundesnetzagentur eine Zertifizierung der Gaspipeline, wofür sie vier Monate Zeit hat. Die Bundesnetzagentur als unabhängige Regulierungsbehörde hat die Aufgabe, die Einhaltung regulatorischer Vorgaben zu überwachen. Das Wirtschaftsministerium wird nach eigenen Aussagen fristgemäß seine Einschätzung vorlegen, ob die Gasröhre die Versorgungssicherheit andere Länder gefährde.


   Netzagentur warnt Nord Stream 

Ein Sprecher der Bundesnetzagentur betonte, es sei aufgrund der technischen Betriebsgenehmigung "nicht auszuschließen, dass in Kürze eine Inbetriebnahme eines Stranges der Verbindungsleitung erfolgen wird." Allerdings müssten von Nord Stream 2 zwei andere Bedingungen erfüllt werden, bevor dies erfolgen dürfe.

So müssten für das ausstehende Zertifizierungsverfahren durch die Bundesnetzagentur zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme die entflechtungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Sollte das nicht der Fall sein, könne die Bundesnetzagentur dies "als Ordnungswidrigkeit ahnden und Bußgelder verhängen", erklärte der Sprecher zu Dow Jones Newswires.

Außerdem habe man bereits das Unternehmen Nord Stream 2 aufgefordert, umgehend Auskunft zu erteilen und gegebenenfalls Nachweise zu erbringen, dass im Rahmen eines Betriebs der Verbindungsleitung alle regulatorischen Vorgaben erfüllt und eingehalten werden.

"Dies betrifft insbesondere Fragen des diskriminierungsfreien Netzzugangs und der Integration der Verbindungsleitung in das deutsche Marktgebiet", so der Sprecher. "Die Bundesnetzagentur hat sich ausdrücklich die unmittelbare Einleitung von Aufsichts- bzw. Missbrauchsverfahren gegen die Nord Stream 2 AG vorbehalten, sollten Zweifel an der Einhaltung dieser regulatorischen Vorgaben nicht ausgeräumt werden."

Die etwa 2.100 Kilometer lange Ostsee-Pipeline soll Gas direkt von Russland nach Deutschland bringen. Jüngst sind die Gaspreise wegen Knappheit des Brennstoffs stark gestiegen. Kritiker sorgen sich um die wachsende Abhängigkeit Deutschland von russischem Gas und den damit verbundenen wachsenden Einfluss Russlands.

Das Nord-Stream-2-Konsortium wird vom russischen Gazprom-Konzern angeführt, der die Hälfte der Finanzierung des 9,5 Milliarden Euro schweren Projekts aufbringt. Zu den Beteiligten gehören die deutschen Unternehmen Uniper und Wintershall.

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October 06, 2021 09:01 ET (13:01 GMT)