München, 27. Januar 2012 - Anlässlich einer Medienveranstaltung präsentierte Dr. Jörg Zeuner, Chief Economist der VP Bank Gruppe, vier Mythen zur Eurokrise. Die europäische Schulden- und Vertrauenskrise geht ins dritte Jahr. Sie bremst weiterhin das weltweite Wachstum und destabilisiert die europäischen Banken. Die Spekulationen über einen Zusammenbruch der Währungsunion halten sich hartnäckig, sind aus unserer Sicht jedoch übertrieben. Ein Austritt eines Mitgliedslandes, im Speziellen Griechenland, ist jedoch nicht mehr auszuschließen.
Die Konsolidierungsbemühungen zur Stabilisierung der staatlichen Schuldenquoten bedrohen das Wachstum. Eine leichte Rezession in der Eurozone ist trotz einer sich abzeichnenden Stabilisierung der Vorlaufindikatoren kaum abwendbar. Die Rettung Griechenlands steht nach wie vor auf des Messers Schneide, und eine nachhaltige Lösung der Schuldenkrise zeichnet sich noch immer nicht ab. Die Verunsicherung der Marktakteure führte nun auch dazu, dass verschiedene Mythen um die Eurokrise entstanden sind.
Die europäische Wirtschaftspolitik hat in der Zwischenzeit
einiges auf den Weg gebracht, um die Schuldenkrise in den
Griff zu bekommen und einer nachhaltigen Lösung zuzuführen.
Sie konnte die Initiative aber noch nicht zurückgewinnen. Die
Europäische Zentralbank (EZB) hat vorerst das Zepter
übernommen und eine weitere Eskalation der Krise
verhindert.
Zu guter Letzt versorgte die EZB die Geschäftsbanken im
Dezember mit längerfristiger Liquidität, um die Möglichkeit
einer zusätzlichen Bankenkrise bereits im Keime zu ersticken.
Darüber hinaus gewinnt die Eurozone zusätzlich an Profil. Der
Marginalfehler einer Währungsunion ohne Fiskalunion wird mit
den Beschlüssen des EU-Gipfels vom vergangenen Dezember
stellenweise geheilt. Eine gesetzliche Schuldenbremse,
strengere Regeln für Haushaltssünder und eine engere
wirtschaftspolitische Zusammenarbeit stellen die Weichen in
die richtige Richtung.
Die Regierungen in den Peripherieländern reduzieren die
Ausgaben stellenweise drastisch. In Griechenland wurden etwa
die staatlichen Ausgaben im Zeitraum 2009 bis 2011 um mehr
als 30% gesenkt. Erfolge sind also durchaus erkennbar.
Die Eurokrise wurde zwischenzeitlich vor allem zur
Vertrauenskrise. Die Anleger wendeten sich nicht nur von
Staaten mit einer hohen Schuldenproblematik ab, sondern
veräusserten auch zunehmend Anleihen von Schuldnern mit guten
Bonitäten wie Frankreich oder Österreich. Einzig die
Bundesanleihe als vermeintlicher Hort der Sicherheit kam kaum
unter Verkaufsdruck. Inzwischen hat sich die Lage jedoch
deutlich verbessert.
Die Senkung der Kreditwürdigkeit von neun Mitgliedsländern
durch die Ratingagentur S&P wurde von den Marktakteuren
mehrheitlich ausgeblendet. Vor allem das konsequente Vorgehen
der EZB konnte das Vertrauen wieder etwas herstellen. Die
Schuldenproblematik ist damit jedoch noch nicht gelöst. Zwar
ist die Konsolidierung der Staatshaushalte teilweise auf
einem guten Weg, der kumulierte Verlauf der jährlichen
Haushaltsdefizite verdeutlicht aber auch, wie die
schrumpfenden Volkseinkommen in der Peripherie die Defizite
in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Verlauf des
Jahres immer wieder deutlich ansteigen lassen.
Die Kontraktion der Wirtschaft schreitet in einigen Ländern
mittlerweile so schnell voran, dass das Defizit in Prozent
des BIP nicht mehr zurückgeht, selbst wenn Sparprogramme auf
den Weg gebracht werden.
Der im Dezember begebene dreijährige Tender der EZB, welcher
die Stabilität des Finanzsystems im Euroraum gewährleisten
soll, kann als quantitative Lockerung der Geldpolitik
angesehen werden. Allerdings verwenden die Geschäftsbanken
die neugewonnene Liquidität nicht für die Vergabe von
Krediten oder den Kauf von Anleihen angeschlagener Staaten,
sondern parken diese wieder in Form von rekordhohen
Übernachteinlagen bei der EZB. Wenngleich Inflationsängste
deshalb nicht angebracht sind, muss der EUR die Bürde einer
potenziellen Inflationsgefahr tragen.
Auch die Anleihenkäufe der EZB verlängern die Bilanz der
Notenbank und erhöhen somit das Risiko einer stärkeren
Ausweitung der inflationsrelevanten Geldmenge. Aufgrund der
Unsicherheiten über den künftigen Wirtschaftsgang halten sich
aber sowohl Konsumenten als auch Unternehmen mit zusätzlichen
Investitionen zurück. Die Nachfrage nach neuen Krediten nimmt
trotz des niedrigen Zinsniveaus kaum zu. Andererseits
versuchen die Banken, aufgrund der auferlegten
Eigenkapitalvorschriften ihre Bilanzen zu verkürzen und
verschärfen die Kreditvergabekriterien.
Solange die zusätzliche Liquidität der EZB nicht in Form
zusätzlicher Kredite in den Wirtschaftskreislauf fließt,
besteht kein fundamentaler Preisdruck - zumal die Reallöhne
kaum steigen und die Kapazitäten bei weitem nicht ausgelastet
sind.
Eine Rettung Griechenlands setzt grundsätzlich falsche
Anreize. Andere angeschlagene Länder der Eurozone könnten in
die Versuchung geraten, Konsolidierungsbemühungen zurück zu
stellen und ganz auf die helfende Hand aus Brüssel zu setzen.
Dieses sogenannte Risiko von «Moral Hazard» ist ohne Zweifel
vorhanden, kann aber durch drastische Sanktionen gemildert
werden.
Aus Perspektive der EU treten etwaige Risiken von
Trittbrettfahrern aber in den Hintergrund. Das Beispiel
Argentiniens zeigt: Rettung ist unter Umständen billiger als
ein etwaiger Zahlungsfall. Der Einkommensverlust durch eine
Staatspleite kann die Kosten von Stützungsmaßnahmen deutlich
übersteigen.
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